Katholische und evangelische Schulen haben so großen Zulauf, dass sie viele Interessierte abweisen müssen. Eltern suchen insbesondere ein intaktes Sozialgefüge und Schulen, die mehrere Wege zum Abschluss bieten.

Stuttgart - Am katholischen Gymnasium St. Agnes starten im Herbst vier fünfte Klassen. „Einmal hatten wir fünf Züge, aber das ist zu viel für uns“, sagt Marietta Steidle-Rieger, Rektorin des Mädchengymnasiums. Da leide der persönliche Kontakt zu den Mädchen, was nicht im Sinne der Eltern sei: „Die präferieren eine christliche Werteerziehung und legen Wert auf eine gute Entwicklung ihres Kindes vom Mädchen zur Frau.“

 

Circa 160 Familien hatten am St.-Agnes-Gymnasium Interesse bekundet, und das, obwohl das Gymnasium (als einziges) an der Empfehlung der Grundschule festhält. Um die 40 Schülerinnen sind nicht zum Zug gekommen, einige wenige nur deshalb nicht, weil den Eltern der Schulweg dann doch zu weit schien. Marietta Steidle-Rieger umreißt damit ein Thema, das für alle anderen privaten Schulen in kirchlicher Trägerschaft gilt: Das Sozialgefüge, die Atmosphäre, die christliche Erziehung zählen für Eltern bei der Wahl der weiterführenden Schule.

Den meisten Schulen fehlt der Platz

Preise von 138 bis 150 Euro pro Monat schrecken nicht ab: Rund 110 Anmeldungen gab es am Evangelischen Heidehof-Gymnasium, doch Rektor Berthold Lannert am Heidehof wird trotzdem nur drei statt früher vier Klassen aufmachen. Die Eltern kämen, weil „man hört, die Atmosphäre sei gut und bei uns die Wertevermittlung auf andere Weise stattfindet als an anderen Schulen“. Schulleiterin Gabriela Künne hatte 200 Anmeldungen am katholischen Albertus-Magnus-Gymnasium in Bad Cannstatt und führte 180 Aufnahmegespräche. „Zu vergeben hatte ich nur 87 Plätze, das Gebäude lässt nur die Dreizügigkeit zu.“ Anders als die Freie evangelische Schule in Möhringen, die neu und groß bauen konnte – und die doch rund 80 Eltern abweisen musste: „Wir hatten 186 Anmeldungen für drei Realschulklassen und eine Werkreal-Klasse“, sagt Verwaltungsleiter Kornelius Burkhardt.

Attraktiv ist diese Schule wie auch andere wegen ihrer Durchlässigkeit. An der Freien evangelischen Schule ist ein Berufliches Gymnasium angegliedert, das mit Klasse 8 beginnt, aber noch nach der 10. Klasse gewählt werden kann.

Das Albertus-Magnus-Gymnasium ist – über das individuelle Lernen nach Marchtaler Plan hinaus – durch eine Quereinsteigerklasse ab Klasse 10 attraktiver geworden, und das evangelische Mörike-Gymnasium hatte 200 Bewerber für Gymnasium und Realschule, obwohl an der Schule noch saniert wird. Der Erfolg ist dem Musikzug zuzuschreiben, meint Schulleiterin Sonja Spohn, aber auch der Realschule und dem Gymnasium unter einem Dach: „Zwei Schularten an einer Schule sind ein Gewinn für alle.“

Bei behinderten Kindern sind Eltern zögerlich

Nur an der Torwiesenschule, einer privaten evangelischen Schule für Grund-, Sonder- und Realschüler sowie Schüler mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung, stagniert die Nachfrage. „Die Eltern befürchten, Kinder mit Behinderung ziehen ihres in der Leistung runter“, sagt Rektorin Martina Heß. Wenn sie Kinder abweisen müsse, dann eher verhaltensauffällige: „Wir sind personell ausgestattet wie eine normale Realschule, für diese Kinder bräuchte man aber mehr Lehrer und kleinere Klassen.“ Immerhin wurde Martina Heß fürs neue Schuljahr eine 50-Prozent-Stelle für einen Sozialarbeiter zugesagt, „dann können wir endlich aus Vorfällen lernen und sie aufarbeiten, statt sie bloß zu sanktionieren“.