Die Halbjahresbewertungen stehen an. Werden Noten besser, wenn ein Belohnungssystem lockt oder demotiviert es Schülerinnen und Schüler, die nicht so gut in der Schule sind? Zwei Meinungen zu einem Streitthema.

Familie/Bildung/Soziales: Lisa Welzhofer (wel)

Es gibt wahrscheinlich genauso viel Gründe, die dafür sprechen, Noten zu belohnen wie es nicht zu tun. Werden Kinder damit schon in jungen Jahren auf ein kapitalistisches Belohnungssystem getrimmt oder lernen sie, dass Anstrengung sich lohnen kann.

 

Pro: Aus Belohnungen fürs Leben lernen

Lassen Sie mich mit einem Bekenntnis beginnen, das nicht unwichtig ist, wenn man über die Idee spricht, Schulnoten zu belohnen. Also: Ich bin gerne zur Schule gegangen ist. Meine Noten waren meist gut. Bis auf die eine Klassenarbeit mit nur fünf Punkten in Chemie, die sowohl meinen Lehrer als auch mich sehr überraschte. Es blieb bei diesem einen Ausrutscher. Sieht man von Turnen ab. Da war ich eine Dauerniete. Das hat niemanden gestört. Im Gegenteil: Ich hatte das Mitgefühl meiner Mutter, die sagte: „Ich war da auch nie gut!“

Ich kann also nicht wirklich mitreden, wie man sich auch quälen kann, um den Anschluss nicht zu verpassen. Gut, Vektorrechnung war nicht so mein Ding. Sei’s drum. Natürlich wurde ich für meine guten Noten immer belohnt. Wie, das weiß ich nicht mehr.

Was ich aber noch genau weiß, ist, dass ich so an einen eigenen Fernseher gekommen bin. Schwarz-weiß, irgendein futuristisch aussehendes Teil von Schaub Lorenz mit Zimmerantenne. Mein Vater hatte zu Beginn des Schuljahres unvorsichtigerweise versprochen, wenn mein Notenschnitt im Jahreszeugnis besser als 2,0 sein würde, bekäme ich einen Fernseher. Er hatte das längst vergessen. Aber als ich nachrechnete, konnte ich mit einer 1 vor dem Komma aufwarten. Meine Mutter und ich erinnerten ihn an sein Versprechen, das er dann auch bereitwillig einlöste. Was ich daraus fürs Leben gelernt habe? Versprechen muss man halten. Auch nicht ganz unwichtig.

Hilke Lorenz schreibt für das Team Familie, Bildung und Soziales. Ihre Schulzeit liegt schon eine Weile zurück. Dennoch erinnert sie sich gut.

Kontra: Statt Geschenke lieber auf das Erreichte schauen

Klar, viele Einser und Zweier im Zeugnis sind schon eine Leistung. Sie bilden ab, dass das Mädchen oder der Junge sich oft gemeldet hat, ordentlich in die Hefte schreibt, sich auf die kleinen und großen Tests vorbereitet und das Gelernte dann auch tatsächlich gut zu Papier bringen kann. Und ganz dumm kann derjenige auch nicht sein. Das darf man als Eltern schon mal mit ein bisschen Geld oder einem lang ersehnten Spielzeug belohnen.

Die Gratifikationen zum Zeugnis aber nur von den Einsern abhängig zu machen wäre grundfalsch. Schlechtere Noten bedeuten ja nicht bei jedem Kind, dass es einfach nur faul war. Manche lernen langsamer, kommen in Prüfungen vor Aufregung nicht so gut auf den Punkt, tun sich schwer mit einem Schulsystem, das noch immer stark auf Anpassung und Ordnung setzt. Wenn also schon Geschenke zum Zeugnistag verteilt werden, dann bitte für alle, unabhängig von den Zensuren.

Aber vielleicht sollten Familien den Zeugnistag ohnehin eher dazu nutzen, sich gemeinsam zu freuen, dass ein Abschnitt zu Ende geht, in dem der Nachwuchs viel Neues erfahren und gelernt, sich ganz sicher weiterentwickelt hat. Darauf gemeinsam zu blicken, sich klarzumachen, was das Kind jetzt schon alles kann, welche schönen Erlebnisse im vergangenen Halbjahr mit Schule verbunden waren (Adventsbasar, Klassenfest, Ausflug, Theaterbesuch), motiviert den Nachwuchs eventuell mehr als der 20-Euro-Schein.

Lisa Welzhofer, 44, schreibt für das Team Familie, Bildung und Soziales und ist Mutter zweier Kinder.