Zur Eröffnung der Remstal-Gartenschau präsentierte sich Cynthia Schneider, Stadträtin aus Schwäbisch Gmünd, auf der Bühne als bunt bemaltes Einhorn – allerdings als fast hüllenloses. Darf sie das? Ein Pro und Kontra.

Schorndorf - Die 37-jährige Stadträtin Cynthia Schneider tritt bei der Eröffnung der Remstal-Gartenschau als Einhorn auf der Bühne auf. Dabei trägt sie aber kein gewöhnliches Kostüm, sondern ein Bodypainting und zeigt sich so fast hüllenlos. Da stellt sich die Frage: Darf sie das? Isabelle Butschek findet, dass die 37-Jährige damit keine Klischees bedient hat, sondern die Gäste verzaubern wollte. Bettina Hartmann entgegnet, dass der Auftritt peinlich und deplatziert war.

 

Pro: Hoffentlich bewahrt sie sich diese Einstellung

Es ging ein Raunen durch die Menge, es gab lautstarken Applaus und staunende Kinder: Wer den Auftritt des glitzernd-bunten Einhorns bei der großen Gartenschau-Eröffnung live miterlebt hat, hätte sich nicht ausmalen können, welch massive Kritik er im Internet hervorrufen würde. Eine – vermeintlich –nackte Frau auf der Bühne, das ist für viele, die ihre Kommentare in den sozialen Netzwerken hinterlassen haben, sexistisch und geschmacklos, ein Fehlgriff, eine Zumutung gerade angesichts der vielen Kinder vor Ort. Letztere haben sich aber wohl, das lassen Gespräche mit Eltern vermuten, am allerwenigsten an den nackten Tatsachen gestört. Die kleinen Besucher haben das Einhorn und nicht die Frau unter der Farbe wahrgenommen, wie es auch der Zweck der ganzen Aktion war.

Natürlich hätte man Cynthia Schneider in einen Ganzkörperanzug stecken und diesen bemalen können. Und natürlich ist klar, dass die Schwäbisch Gmünder Stadtverwaltung Aufsehen erregen wollte. Das ist ihr gelungen – leider auf Kosten ihrer Protagonistin, der Stadträtin Cynthia Schneider. Sie hat am Sonntag noch gesagt, dass sie die Häme traurig finde, am Montag wollte sie sich angesichts des Ausmaßes der Diskussion lieber gar nicht mehr äußern, um sich zu schützen.

Doch was hat sie denn falsch gemacht? Die intimen Bereiche ihres Körpers waren abgedeckt, vermutlich hat sie weniger gezeigt als manche Frau im Freibad. Natürlich war es in diesem Rahmen ein gewagter, aber auch ein mutiger Auftritt. Dass gerade Cynthia Schneider dafür zu gewinnen war, ist kein Zufall: Sie steht in vielen Bereichen ihre Frau. Sie hat eine Ausbildung zur Automobilkauffrau in einem Männergewerbe gemacht. Sie ist im ländlich geprägten Ostalbkreis eine von zwölf Frauen bei 71 Mitgliedern im Kreistag. Eines ihrer kommunalpolitischen Topthemen sind Frauen im Beruf, sie ist eine aktive Gewerkschafterin. Und sie hat eine Frau geheiratet.

Es ist anzunehmen, dass sie sich in ihrer politischen und beruflichen Arbeit mehr für Frauen einsetzt als alle, die angesichts ihres Einhornauftritts über Sexismus und Klischees schimpfen. „Ich will ich sein“, hat sie in einem Interview mit den „Aalener Nachrichten“ gesagt. Hoffentlich bewahrt sie sich diese Einstellung.

Kontra: Peinlich und deplatziert

Stolz führte er sie bei der Gartenschau-Eröffnung auf die Show-Bühne: Der Gmünder Oberbürgermeister Richard Arnold (CDU) hatte die Stadträtin Cynthia Schneider (Linke) am Arm und grinste dabei wie ein Honigkuchenpferd. Mittels Bodypainting hatte sie sich in das Wappentier von Schwäbisch Gmünd verwandelt: ein Einhorn, allerdings ein fast hüllenloses. Und da posierte sie nun, zum Fremdschämen, als bunter Hingucker zwischen einer anzugtragenden Herrenriege, die vermutlich zum ersten Mal in ihrem Leben über eine Linke erfreut war. Dass dem OB dann auch noch ein frivoles „so sehen die Stadträtinnen aus in Schwäbisch Gmünd“ entfuhr, kann man nur mit Kopfschütteln quittieren – wie peinlich und provinziell. Zudem befremdet, dass ausgerechnet eine Vertreterin der Linken, einer Partei mit „feministischem Anspruch“, das leicht bekleidete Einhorn mimte.

Eins vorweg: es geht nicht darum, sich zu empören oder darum, in neuer Begeisterung für Prüderie Nacktheit zu verdammen. Auch Neid, wie so mancher von der Aktion begeisterte Kommentator auf Facebook unterstellt, spielt keine Rolle. Eigentlich war es sogar eine nette Idee, die Stadt Schwäbisch Gmünd in Form ihres Wappentiers zu präsentieren. Aber wieso ließ sich nicht der Oberbürgermeister anmalen und in Unterhose sowie mit Horn auf die Bühne geleiten? Weil es unangemessen gewesen wäre. Genauso deplatziert und rückwärtsgewandt wie der Auftritt der Stadträtin Schneider.

Dass leicht bekleidete Damen, die sich so lasziv wie hirnentleert auf Motorhauben räkeln, ein inakzeptables Frauenbild vermitteln, darauf können sich heutzutage wohl die meisten verständigen. Und so stellt sich erst recht die Frage: Welchen Sinn hat es, eine Gartenschau mit einer Halbnackten zu eröffnen? Was soll damit zum Ausdruck gebracht werden? Und wieso gab sich Schneider dafür her?

„Jedes Mädchen träumt davon, einmal in ein Einhorn verwandelt zu werden“, erklärte sie ihre Intention. Was die Gewerkschaftssekretärin dabei vergisst: Sie ist 37 Jahre alt, Stadträtin und war nicht auf einen Kindergeburtstag eingeladen, sondern trat bei einer offiziellen Veranstaltung auf. Und da hätte man mehr Gespür erwarten dürfen.