Das Vorhaben der Regierung unterbindet den Wettbewerb – dies schränkt die Freiheiten der Arbeitnehmer generell ein, Argumentiert Matthias Schiermeyer:

 

Was ist davon zu halten, wenn die Wirtschaftsverbände lautstark regulierende Eingriffe durch die große Koalition beklagen – zugleich jedoch mit aller Macht fordern, die Tarifeinheit im Betrieb herzustellen? Dies ist eine Gesetzgebung à la carte. Dass die Verbände von einem gewichtigen Teil des Gewerkschaftsbundes unterstützt werden, macht den Befund kaum besser. Gewiss, Metall- und Chemiegewerkschaft schließen ohne großen Klamauk gute Tarifverträge für ihre Kernklientel ab. Doch machen Monopolstrukturen mitunter überheblich und unbeweglich – was auch zu Lasten von Arbeitnehmern gehen kann. Spezialisten wie die Lokführer oder die Ärzte haben in den vergangenen Jahren vor allem deswegen angemessene Lohnsteigerungen erkämpft, weil sie zuvor vernachlässigt worden waren.

Die Wirtschaftsverbände treten doch sonst so gern für Wettbewerb ein. In diesem Fall befürworten sie einen Gesetzentwurf, der Konkurrenz im Arbeitnehmerlager um die bestmöglichen Tarifregeln abwürgt. Wenn zwei Gewerkschaften mit ihren Tarifverträgen um dieselbe Arbeitnehmergruppe buhlen, so soll nach Vorstellung der Koalition im Streitfall künftig nur noch der Tarifvertrag der größeren Gewerkschaft gelten. Keineswegs ist in jedem Fall klar, wie sich die Mitgliederzahlen im jeweiligen Betrieb zweifelsfrei feststellen und vergleichen lassen. Somit kommt auf die Arbeitsgerichte noch viel Arbeit zu. Davon abgesehen wird die jeweils kleinere Gewerkschaft auf diese Weise zum Bittsteller im Unternehmen degradiert. Dies ist nach der mehrheitlichen und nachvollziehbaren Meinung der Arbeits- und Verfassungsrechtler ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit nach Artikel neun des Grundgesetzes. Denn das Recht, frei darüber zu entscheiden, welcher Gewerkschaft man sich anschließt, wird beschränkt. Die Spartengewerkschaften müssen sich in ihrer Existenz bedroht sehen.

Die Koalition, vor allem Arbeitsministerin Nahles, geht das große Risiko ein, vom Bundesverfassungsgericht später revidiert zu werden. Und dass sie das eigentliche Ziel – mehr Betriebsfrieden, weniger Streiks – erreicht, ist keineswegs garantiert.