Repression ist ein hässliches Wort. Es kündet von Zwang, Fremdbestimmung, Unfreiheit. Und natürlich ist ein Alkoholverbot repressiv – in welcher Form auch immer es in ein Gesetz gegossen wird. Für eine liberale und aufgeklärte Gesellschaft, die auf die Selbstentfaltung der menschlichen Vernunft setzt, bedeutet jedes Gesetz eine Niederlage. Aber wollen wir uns ein Leben ohne Strafgesetzbuch, ohne Ordnungsrecht und die ohne Polizeigesetze der Länder vorstellen? Wohl kaum. Der Staat kann die Menschen nicht vor sich selbst schützen, aber vor den Dummheiten, Zumutungen und Rücksichtslosigkeiten der anderen schon. Er muss es sogar, will er sich nicht selbst dementieren. Ohne Regeln funktioniert das Zusammenleben nicht. Die Alternative ist das Recht des – im unmittelbaren Wortsinn – Stärkeren.

 

Nichts tun geht auch nicht

So verhält es sich auch mit den seit Jahren debattierten, verworfenen, dann wieder auflebenden Forderungen nach Alkoholverboten auf bestimmten innerstädtischen Plätzen zu bestimmten Zeiten, was konkret bedeutet: in den Nächten von Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag. Wohlgemerkt: es geht nicht um ein generelles Verbot. Den Kommunen soll vom Landesgesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt werden, öffentliche Saufgelage dort zu unterbinden, wo sie unmittelbar die Sicherheit, die Unversehrtheit und die Bewegungsfreiheit anderer Menschen einschränken. Nach den Erhebungen der Polizei verbinden sich Alkoholexzesse und Gewalt landesweit an etwa einem Dutzend Plätzen oder Straßenzügen zu einem unerquicklichen Amalgam von Suff und Gewalt.

Beleidigungen, Anmache, Körperverletzungen – das alles gehört nicht zum Kernbestand schützenswerter Rechtsgüter, ebenso wenig, da hat Tübingens OB Boris Palmer ganz recht, zählen „voll gekotzte Vorgärten“ dazu. Aus den betroffenen Kommunen wird berichtet, die Präventionskarte sei ausgereizt. Wo begütigende Ansprache und professionelle Sozialarbeit ihre Grenzen erfahren, kann Untätigkeit nicht die Konsequenz sein. Jedenfalls nicht, wenn andere sich in ihren Rechten und in ihrer Freiheit begründet verletzt sehen. Das wäre unterlassene Hilfeleistung.

Das Gemeinwesen leidet

Beleidigungen, Anmache, Körperverletzungen – das alles gehört nicht zum Kernbestand schützenswerter Rechtsgüter, ebenso wenig, da hat Tübingens OB Boris Palmer ganz recht, zählen „voll gekotzte Vorgärten“ dazu. Aus den betroffenen Kommunen wird berichtet, die Präventionskarte sei ausgereizt. Wo begütigende Ansprache und professionelle Sozialarbeit ihre Grenzen erfahren, kann Untätigkeit nicht die Konsequenz sein. Jedenfalls nicht, wenn andere sich in ihren Rechten und in ihrer Freiheit begründet verletzt sehen. Das wäre unterlassene Hilfeleistung.

Das Gemeinwesen leidet

Es geht auch um ein Zeichen. Um ein Ausrufezeichen, und zwar dafür, dass sich in dieser Gesellschaft niemand auf Kosten anderer ausleben kann, wie es ihm gerade beliebt. Denn am Ende stirbt nicht, wie Verbotsgegner gerne behaupten, die Freiheit, vielmehr leidet das Gemeinwesen, das auf gegenseitiger Rücksichtnahme gründet.

Kontra: Jugend mit Vorbildern

Sie grölen herum, sie sind rücksichtslos, sie verrichten ihr Geschäft in Vorgärten. Und sie sind schwer betrunken. Die Rede ist nicht von den frei laufenden Jugendlichen, die, glaubt man Sicherheitskräften, Bürgermeistern und einigen Mitgliedern der Regierungskoalition, sich zu Horden an Tank- und Haltestellen zusammenrotten, um anschließend als marodierende Masse die Innenstädte zu verwüsten. Die Rede ist vielmehr von animierten Besuchern durchschnittlicher Dorf-, Feuerwehr-, Volks- und Stadtteilfeste, von Angehörigen aller Altersklassen, die der verbreiteten Auffassung anhängen, sie könnten auch ohne Alkohol fröhlich sein, müssten aber nicht.

Über einen Mangel an Vorschriften und Verboten, die unser Zusammenleben regeln sollen, können die Bundesbürger sich nicht beklagen. Über den Mangel an Willen und Befähigung, all dies auch durchzusetzen, sehr wohl. Nun soll also ein Verbot, auf öffentlichen Plätzen Alkohol zu konsumieren, dazukommen. Und dieses Verbot zielt, wie spätestens die begleitende Diskussion zeigt, eben nicht auf Bürger aller Altersklassen, sondern auf die Jungen.

Erwachsene sind hilflos

Darin zeigt sich viel hilflose Besorgnis der Erwachsenen, die nicht wissen, wie sie mit dem von Medien und Politik verbreiteten und nicht ganz falschen Eindruck, der Nachwuchs saufe sich um Kopf und Kragen, umgehen sollen. Die Frage ist, ob diese Besorgnis auch so unwiderstehlich zu Taten drängen würde, wenn die jungen Männer und Frauen nicht vor aller Augen, sondern daheim in Papas Partykeller bis zum Umfallen trinken würden, so, wie es Brauch ist von alters her.

In der Debatte zeigt sich nämlich auch nicht wenig Doppelmoral. Allenthalben erzählen Tourismuswerber und kommunale Eventmanager, Städte und Gemeinden seien umso lebenswerter, je mehr Stadtfeste, Weindörfer, Fischmärkte sie zu bieten hätten. Der Schultes sticht das Fass an, der Minister küsst weinselig die Weinkönigin, und kein Mitglied der Regierungsbank kann es sich leisten, nicht wenigstens einmal pro Saison auf dem Cannstatter Wasen den Humpen in die Kamera zu heben. Alkohol gilt als Kulturgut und fungiert als Schmiermittel unserer Gesellschaft, das Recht auf Rausch ist unbestritten. Und unsere Jugend wächst da hinein.

Wir sollten alle nachdenken

Herumpöbeln, die Ruhe stören, Passanten beleidigen, öffentliches Ärgernis erregen – gegen all das kann die Polizei jetzt schon vorgehen. Bürger, denen alkoholbetäubte Jugendliche ein Dorn im Auge sind, Eltern, die sich um ihre heranwachsenden Kinder sorgen, kurz: wir alle sollten über das Vorbild nachdenken, das wir abgeben.