„Der Export ist politisch legitimiert“

Der Plan des Wirtschaftsministers, die Richtlinien für den Rüstungsexport noch strenger auszulegen, gibt Anlass zur Besorgnis, sagt Georg Wilhelm Adamowitsch. Der 66-Jährige ist seit dem 1. September 2011 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV):

„Vorrang für die Menschenrechte“

Deutschland ist in der Weltspitze der Waffenlieferanten. Solche Exporte sollten nicht länger Instrument der Wirtschaftspolitik sein, sagt Simone Peter. Die 48-Jährige ist seit Oktober 2013 Bundesvorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen:

Simone Peter von den Grünen Foto: dpa
„Unter den großen Rüstungsexporteuren ist Deutschland der drittgrößte in der Welt. Nur Russland und die USA liefern mehr Kriegsgerät rund um den Globus. Das ist kein Grund stolz zu sein. Es ist ein verstörender Befund für ein Land, das seine Rolle in der Welt als Zivil- und Friedensmacht sieht.

Die geltenden Grundsätze für Rüstungsexporte sehen denn auch vor, dass diese „einen Beitrag zur Sicherung des Friedens, der Gewaltprävention, der Menschenrechte und einer nachhaltigen Entwicklung in der Welt“ leisten sollen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Unter den Hauptempfängern deutscher Waffen finden sich regelmäßig undemokratische Staaten wie Algerien, Katar oder Saudi-Arabien, die Menschenrechte systematisch verletzen. Fast zwei Drittel aller Rüstungsexporte Deutschlands gehen in Staaten, die nicht der EU oder der NATO angehören. Was einst als Ausnahme vorgesehen war, ist heute die Regel.

Die Praxis der Rüstungsexportpolitik der letzten Jahre müsste den Verantwortlichen die Schamesröte ins Gesicht treiben: Von der Lieferung einer ganzen Panzerfabrik nach Algerien über milliardenschwere Waffen-Deals mit Saudi-Arabien bis hin zur Lieferung von Chemikalien, die auch für die Waffenproduktion verwendet werden können, an Syrien. Was könnte dafür sprechen diese beschämende Praxis fortzusetzen? Aufträge und Arbeitsplätze?

Diese Argumentation ist nicht nur zynisch, sondern auch wirtschaftlich kurzsichtig. Wenn wir es schon nicht verhindern können, dass auf der Welt Unschuldige getötet und Menschenrechte mit Füßen getreten werden, sollten wir daran nicht auch noch verdienen wollen. Und Panzer an Diktatoren und Waffen in Krisengebiete zu liefern kann auf Dauer kein gutes Geschäft für eine Exportwirtschaft sein, die in besonderem Maße auf internationale Stabilität angewiesen ist.

Hinzu kommt, dass die wirtschaftliche Bedeutung der Rüstungsindustrie überschätzt wird. Unter Einbeziehung auch der Zulieferer arbeiten dort weniger als 0,5 Prozent der Erwerbstätigen. Und viele Rüstungsfirmen haben ihr Angebot längst diversifiziert und machen mittlerweile einen Großteil ihres Umsatzes außerhalb des Waffengeschäfts. Dieser Strukturwandel würde durch eine restriktive Rüstungsexportpolitik nur beschleunigt, ebenso wie eine stärkere europäische Arbeitsteilung.

Deshalb dürfen Rüstungsexporte in Deutschland nicht länger Instrument der Wirtschaftspolitik sein. Entsprechend sollte die Zuständigkeit für sie vom Wirtschafts- an das Außenministerium übergehen, damit Kriterien wie Menschenrechte und Demokratie Vorrang erhalten vor Wirtschaftsinteressen. Staatsbürgschaften für Waffenexporte gehören abgeschafft, Lieferungen an Diktaturen und in Krisengebiete strikt untersagt. Außerdem muss der Bundestag früher und umfassender über Rüstungsgeschäfte informiert werden.

Drittgrößter Waffenexporteur der Welt zu sein ist kein Ruhmesblatt. Es ist höchste Zeit, daran etwas zu ändern.“

Parteichefin
Simone Peter (48) ist seit Oktober 2013 Bundesvorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Von 2009 bis 2012 war sie Ministerin für Umwelt, Energie und Verkehr des Saarlandes.

Die Rüstungsindustrie gibt Kontra

„Der Export ist politisch legitimiert“

Der Plan des Wirtschaftsministers, die Richtlinien für den Rüstungsexport noch strenger auszulegen, gibt Anlass zur Besorgnis, sagt Georg Wilhelm Adamowitsch. Der 66-Jährige ist seit dem 1. September 2011 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV):

Verbandsvetreter Georg Wilhelm Adamowitsch Foto: privat
„Das Erfordernis einer Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (SVI) ergibt sich unmittelbar und zwingend aus der Aufstellung von Sicherheits- und Streitkräften, die über Ausrüstung verfügen müssen, um die politisch vorgegeben Aufgaben wahrzunehmen. Dabei gilt es insbesondere den umfassenden Schutz für die Soldatinnen und Soldaten durch die entsprechende Ausrüstung zu gewährleisten. So legitim und moralisch vertretbar die Gewährleistung von Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit ist, so legitim ist zugleich auch die Schaffung der materiellen Voraussetzungen zu deren Durchführung.

Die deutsche SVI ist somit integraler Bestandteil deutscher Souveränität. Deutscher Rüstungsexport ist politisch legitimiert, durch Gesetze geregelt und steht im Kontext deutscher Sicherheits- und Außenpolitik. Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition gibt es ein eindeutiges Bekenntnis zu einer innovativen, leistungs- und wettbewerbsfähigen nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und dem Erhalt eigener industrieller Fähigkeiten zur Sicherung der nationalen Souveränität.

Für deutsche Rüstungsexporte existiert ein umfangreiches rechtliches Regelwerk im Wesentlichen bestehend aus dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz und den Politischen Grundsätzen der Bundesregierung bei der Genehmigung von Rüstungsexporten in Verbindung mit einer einzelfallbezogenen, abgestuften Entscheidungspraxis, in die das Auswärtige Amt ebenso wie das Bundesministerium der Verteidigung eingebunden ist. Es besteht daher kein Anlass für Änderungen. Nun hat der zuständige Bundeswirtschaftsminister Gabriel angekündigt, die Entscheidungspraxis für einzelfallbezogene Exportgenehmigungen restriktiver als die Vorgängerregierung zu handhaben. Eine solche Entwicklung hier in Deutschland hin zu noch restriktiveren Ausfuhrbestimmungen bei Rüstungsexporten gibt Anlass zur Besorgnis, weil bis heute der angekündigte Ermessensspielraum durch den Bundeswirtschaftsminister nicht erkennbar ist. Deutschland hat ohnehin bereits in der Vergangenheit mit die strengsten Regelungen für den Export „von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ geschaffen.

Ich begrüße daher die Initiative des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, eine Debatte über Deutschlands Verantwortung in der Welt herbeiführen zu wollen und dabei auch die Genehmigungspraxis deutscher Rüstungsexporte zu diskutieren. Dabei bedarf unter anderem die Zuordnung des Begriffs „Schurkenstaat“ der präzisen Erörterung.

Nehmen wir das Beispiel Katar: Als Aktionär des Volkswagen-Konzerns wurde das Land von der Bundesregierung geradezu eingeladen, es wird auch als Anteilseigner bei der Deutschen Bank gern gesehen. Im zivilen Flugzeugbau ist Katar eines der herausragenden Bestellerländer, im Energiebereich wird Katar eine Schlüsselstellung einnehmen. Warum aber nicht auch als Exportpartner für die deutsche Sicherheits- und Verteidigungsindustrie?“

Verbandsvertreter
Georg Wilhelm Adamowitsch (66) ist seit dem 1. September 2011 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV).