Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Ich sage nicht, dass mehr Mittel automatisch bessere Ergebnisse produzieren, aber es ist eine Illusion zu glauben, wir könnten mit immer weniger Mitteln immer mehr leisten. Das wird nicht funktionieren. Journalism u s hat seinen Preis“, hat der Chefredakteur der „Neuen Zürcher Zeitung“, Markus Spillmann, unlängst gesagt. Recht hat er. Umso unverständlicher ist es, dass die Verlegervertreter die Redakteurinnen und Redakteure offenbar nur als Kostenfaktoren betrachten, die dringend nach unten korrigiert werden müssen.

 

In Zeiten sinkender Anzeigenerlöse ist diese Betrachtungsweise fatal. In dem Moment, wo weniger Geld aus Anzeigen in die Verlagshäuser fließt, wächst die Bedeutung ihres Inhalts, muss die Zeitung die Leserschaft direkt am Kiosk – ob am virtuellen oder realen – überzeugen. Die Zeitung will gekauft werden und das gelingt nur mit spannenden und hintergründigen Geschichten, die nicht schon tagelang gratis durchs Netz geistern. Und das kostet Geld, ja. Dafür braucht es gut ausgebildete Menschen, die diese Geschichten ausfindig machen und aufschreiben und die gibt es nicht zu Dumpinglöhnen, dafür lockt die um kluge Köpfe konkurrierende Werbebranche mit zu guten Bedingungen.

Man stelle sich das mal in einer anderen Branche vor, etwa der Automobilindustrie. Deren Renditen sind mit denen, die im Durchschnitt von den Verlagshäusern erwirtschaftet werden, mindestens vergleichbar: Da brechen an einer Stelle Umsätze weg, und der Autohersteller reagiert darauf, indem er seine Ingenieure für überbezahlt erklärt und das Problem lösen will, indem er die Sparschraube anzieht. Überhaupt nicht vermittelbar wäre das, stattdessen würden die Ingenieure dran gesetzt, bessere Produkte zu entwickeln.

Gleiche Bedingungen für Online-Redakteure

Doch statt in die Zukunft zu investieren, wollen die Verleger nach Jahren des Reallohnverlustes Einkommen der Redakteurinnen und Redakteure kürzen, ihre Arbeitsbedingungen verschlechtern. Der Einzelhandelsverband hat es jüngst mit einer ähnlich absurden Strategie versucht – erfolglos, wie der Verdi-Tarifabschluss für den Einzelhandel in Baden-Württemberg mit einem Lohnplus von insgesamt 5,1 Prozent und dem Erhalt zum Beispiel der Wochenendzuschläge zeigt.

Kurz gesagt geht es in der aktuellen Tarifrunde beim Wägen der Angebote und Forderungen von Verlegerseite um die Sicherung des Status quo: Die Verleger wollen das Urlaubs- und Weihnachtsgeld um 1,8 Prozent des Jahresgehalts reduzieren. Dem soll eine entsprechende Gehaltssteigerung gegenüber stehen. Die Gehaltsentwicklung soll sich künftig eher an Leistungskriterien orientieren und nicht mehr Automatismen unterliegen. Regionale Kaufkraftunterschiede sollen berücksichtigt werden.

Realistische Forderung, überzogene Außendarstellung

Und wie reagieren die Vertreter der Gewerkschaften? Der eine sieht den Weg in das journalistische Prekariat vorgezeichnet, der nächste spricht von einem Horrorpaket, der dritte von einem arbeitnehmerverachtenden Angebot. Es drängt sich der Eindruck auf: je realistischer die Forderung, umso überzogener muss die Außendarstellung sein.

Das Tarifwerk für festangestellte Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen ist bestens ausgestattet. Schon der Berufseinsteiger erhält ein Jahresgehalt von deutlich über 40 000 Euro plus einer gut ausgestatteten Altersversorgung, die zu zwei Dritteln vom Arbeitgeber finanziert wird. Das Jahresgehalt wächst innerhalb der ersten zehn Berufsjahre automatisch auf über 60 000 Euro an. Höhere Tarifgruppen bringen es auf ein Jahresgehalt von nahezu 80 000 Euro.

Ist das: arbeitnehmerverachtend? Prekariat? Horror? Oder vielmehr ein Gebot der Stunde bei Wahrung einer angemessenen Bezahlung für eine anspruchsvolle Arbeit? Es geht darum, die Zeitungsbranche unter alles anderen als leichten Rahmenbedingungen in die digitale Zukunft zu führen. Diesen Weg sollten auch die Gewerkschaften im Interesse ihrer Mitglieder mitgestalten.

Gefragt ist Mitverantwortung, Polemik ist fehl am Platz. Denn gelingt es nicht, das Tarifwerk Zukunft zu verabschieden, wird der Flächentarifvertrag als Ordnungsinstrument der Branche der Vergangenheit angehören. Sage nachher niemand, er habe das nicht gewusst.

Georg Wallraf ist Verhandlungsführer für den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Zuvor war er Chefjustiziar bei der Verlagsgruppe „Handelsblatt“.

Kontra von Frank Werneke: Journalismus hat seinen Preis

Ich sage nicht, dass mehr Mittel automatisch bessere Ergebnisse produzieren, aber es ist eine Illusion zu glauben, wir könnten mit immer weniger Mitteln immer mehr leisten. Das wird nicht funktionieren. Journalism u s hat seinen Preis“, hat der Chefredakteur der „Neuen Zürcher Zeitung“, Markus Spillmann, unlängst gesagt. Recht hat er. Umso unverständlicher ist es, dass die Verlegervertreter die Redakteurinnen und Redakteure offenbar nur als Kostenfaktoren betrachten, die dringend nach unten korrigiert werden müssen.

In Zeiten sinkender Anzeigenerlöse ist diese Betrachtungsweise fatal. In dem Moment, wo weniger Geld aus Anzeigen in die Verlagshäuser fließt, wächst die Bedeutung ihres Inhalts, muss die Zeitung die Leserschaft direkt am Kiosk – ob am virtuellen oder realen – überzeugen. Die Zeitung will gekauft werden und das gelingt nur mit spannenden und hintergründigen Geschichten, die nicht schon tagelang gratis durchs Netz geistern. Und das kostet Geld, ja. Dafür braucht es gut ausgebildete Menschen, die diese Geschichten ausfindig machen und aufschreiben und die gibt es nicht zu Dumpinglöhnen, dafür lockt die um kluge Köpfe konkurrierende Werbebranche mit zu guten Bedingungen.

Man stelle sich das mal in einer anderen Branche vor, etwa der Automobilindustrie. Deren Renditen sind mit denen, die im Durchschnitt von den Verlagshäusern erwirtschaftet werden, mindestens vergleichbar: Da brechen an einer Stelle Umsätze weg, und der Autohersteller reagiert darauf, indem er seine Ingenieure für überbezahlt erklärt und das Problem lösen will, indem er die Sparschraube anzieht. Überhaupt nicht vermittelbar wäre das, stattdessen würden die Ingenieure dran gesetzt, bessere Produkte zu entwickeln.

Gleiche Bedingungen für Online-Redakteure

Doch statt in die Zukunft zu investieren, wollen die Verleger nach Jahren des Reallohnverlustes Einkommen der Redakteurinnen und Redakteure kürzen, ihre Arbeitsbedingungen verschlechtern. Der Einzelhandelsverband hat es jüngst mit einer ähnlich absurden Strategie versucht – erfolglos, wie der Verdi-Tarifabschluss für den Einzelhandel in Baden-Württemberg mit einem Lohnplus von insgesamt 5,1 Prozent und dem Erhalt zum Beispiel der Wochenendzuschläge zeigt.

In Zeiten, in denen der Druck in den Redaktionen immer weiter steigt, werden wir auch für die Kolleginnen und Kollegen bei den Tageszeitungen keinen Abschluss machen, der auf ein Minusgeschäft hinausläuft. Darüber hinaus ist es unverzichtbar, dass auch die Online-Redakteure zu den gleichen Bedingungen arbeiten und entlohnt werden wie die im Printbereich, denn ihre Arbeit ist wesentlich für die Zukunft des Journalismus. Ich bin davon überzeugt: Wer die Menschen, die den Kern des Zeitungsgeschäfts ausmachen, immer billiger abspeisen will, ruiniert sich auf lange Sicht sein eigenes Geschäft, und das lassen wir nicht zu, denn: „Journalismus hat seinen Preis.“