Wer die vergangenen Jahre irgendwo in einer Innenstadt gelebt hat, machte eine unerfreuliche Erfahrung: Die Zahl der Veranstaltungen, der verkaufsoffenen Sonntage und der langen Einkaufsnächte hat deutlich zugenommen. Aus der Sicht der Bewohner ist das ärgerlich. Natürlich kann man von jemandem, der in eine Innenstadt zieht, die von Handel, Gastronomie und geselligem Leben geprägt ist, erwarten, dass er ein großes Maß an Toleranz mitbringt. Aber irgendwann ist es dann auch mal gut.

 

Zuletzt geht es auch hier um ein Abwägen von Nutzen und Nachteilen. Was bringt ein verkaufsoffener Sonntag? Wer an den Grundsatz glaubt, viel hilft viel, muss nicht lange überlegen. Dass in Stuttgart aber nicht einmal alle Händler von der Idee angetan sind, zeigt: Es profitieren nicht alle von der Eventisierung des Einkaufens. Erstens kauft nicht jeder ein, der an solchen Tagen in der Besuchermasse durch die Einkaufsmeilen treibt. Und angelockt wird ein bestimmtes Publikum, den anderen Teil stößt der Rummel ab.

Die Alltagsbedingungen des Einkaufens verbessern

Statt zusätzlicher Ausnahmezustände wäre es wichtiger, die Alltagsbedingungen des Einkaufens zu verbessern: durch mehr Vielfalt an Geschäften, eine hohe Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raumes, eine gute Gastronomie und anderem. Ohne einen Bewusstseinswandel der Menschen wird sich der Trend ins Netz aber nicht drehen lassen. Solange sie nicht kapieren, dass sie der Qualität der Innenstädte schaden, wenn ihnen die eigene Bequemlichkeit und mitunter mickrige Preisvorteile die höchsten Güter sind.

Aber vielen Leuten ist das vielleicht sowieso egal, weil sie es gar nicht wahrnehmen. Wie auch, wenn sie dauernd nur auf das Display ihres Smartphones starren.

Mathias Bury

Fakt ist, die CIS ist bei ihrem Bestreben auf eine breite Zahl an Mitstreitern angewiesen. Nach dem Ladenöffnungsgesetz ist es im Südwesten nur erlaubt, „Verkaufsstellen aus Anlass von örtlichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen an jährlich höchstens drei Sonn- und Feiertagen“ zu öffnen. Einfach nur die Tür aufsperren und auf Kunden warten, reicht also nicht. Ein Rahmenprogramm muss organisiert werden. Die Kosten werden auf bis zu 80 000 Euro geschätzt. Umso breiter sich die finanzielle Belastung verteilen lässt, desto besser für die Händler.

Fokus auf lange Einkaufsnächte

Der bislang letzte verkaufsoffene Sonntag in der Innenstadt wurde zur Fußball Weltmeisterschaft 2006 veranstaltet. Danach wurde dass Event zu Gunsten der langen Einkaufsnächte, die samstags stattfinden, nicht weiter betrieben. Um die Veranstaltung am ersten Sonntag im Oktober 2016 tatsächlich wiederbeleben zu können, muss Bettina Fuchs spätestens Mitte September einen entsprechenden Antrag beim Amt für öffentliche Ordnung stellen. „Wir haben uns noch nicht endgültig entschieden“, sagt Fuchs auf Anfrage und fügt hinzu: „Ich hoffe, dass wir noch viele Händler für unsere Idee gewinnen können.“

Ist der Antrag einmal bei der Stadt eingegangen, prüft das Amt den Termin – Osterfeiertage oder Weihnachten sollen außen vor bleiben – und holt die Meinung der Kirchen, Gewerkschaften und Handelsverbände ein. Am Ende entscheidet das Amt dann selbst über die Genehmigung. „Ich sehe keinen Grund für eine Ablehnung, sollte der Antrag aus der Innenstadt kommen“, sagt Amtsmitarbeiter Klaus Kaiser. Denn nach einem Beschluss des Gemeinderats seien zwei verkaufsoffene Sonntage pro Stadtbezirk grundsätzlich möglich, so Kaiser weiter.

Pro: Ein Lebenszeichen der City

Wird es die Vielfalt in der Stadt, den stationären oder gar den inhabergeführten Einzelhandel retten, wenn die Geschäfte in der Stuttgarter Innenstadt an einem Sonntag im Jahr für wenige Stunden öffnen dürfen? Wahrscheinlich nicht. Doch in Zeiten von stetig wachsenden Umsatzzahlen im Onlinehandel mit den selben Argumenten gegen verkaufsoffene Sonntage zu wettern, wie man es bereits vor 15 Jahren getan hat, geht meilenweit an der Realität vorbei. Ein verkaufsoffener Sonntag wäre vor allen Dingen ein wichtiges Lebenszeichen der City.

Während die Händler der Innenstadt noch vor nicht all zu langer Zeit allein mit den Angeboten des Kollegen von nebenan konkurrieren mussten, ist ihr Leben in den vergangen Jahren um ein Vielfaches härter geworden. Die Mieten steigen stetig, die Schnäppchenzentren der Region wie etwa Metzingen rüsten regelmäßig auf und die großen Einkaufszentren haben sich von der grünen Wiese verabschiedet und sind in die Stadt gezogen, wo sie erfolgreich Kaufkraft für sich beanspruchen.

Doch vor allen Dingen kaufen immer mehr Menschen im Internet ein. Und dieser Trend wird noch wesentlich stärker werden. Wenn daraufhin Einzelhändler in der teuren Innenstadt nicht mehr überleben können, teilen sich internationale Kaffeeketten, Billiglabels und Internetkonzerne bald alle Schaufenster als Werbeflächen untereinander auf. Erste Schritte in diese Richtung kann jeder, der mit offenen Augen durch die Fußgängerzonen spaziert, längst beobachten.

Ein verkaufsoffener Sonntag in der City würde zumindest zeigen, dass in Zeiten des digitalen Handels noch ernsthaft versucht wird, die Lage vor Ort zu verbessern – es wäre ein deutliches Lebenzeichen.

StZ-Redakteur Sven Hahn

Kontra: Viel hilft nicht immer viel

Wer die vergangenen Jahre irgendwo in einer Innenstadt gelebt hat, machte eine unerfreuliche Erfahrung: Die Zahl der Veranstaltungen, der verkaufsoffenen Sonntage und der langen Einkaufsnächte hat deutlich zugenommen. Aus der Sicht der Bewohner ist das ärgerlich. Natürlich kann man von jemandem, der in eine Innenstadt zieht, die von Handel, Gastronomie und geselligem Leben geprägt ist, erwarten, dass er ein großes Maß an Toleranz mitbringt. Aber irgendwann ist es dann auch mal gut.

Zuletzt geht es auch hier um ein Abwägen von Nutzen und Nachteilen. Was bringt ein verkaufsoffener Sonntag? Wer an den Grundsatz glaubt, viel hilft viel, muss nicht lange überlegen. Dass in Stuttgart aber nicht einmal alle Händler von der Idee angetan sind, zeigt: Es profitieren nicht alle von der Eventisierung des Einkaufens. Erstens kauft nicht jeder ein, der an solchen Tagen in der Besuchermasse durch die Einkaufsmeilen treibt. Und angelockt wird ein bestimmtes Publikum, den anderen Teil stößt der Rummel ab.

Die Alltagsbedingungen des Einkaufens verbessern

Statt zusätzlicher Ausnahmezustände wäre es wichtiger, die Alltagsbedingungen des Einkaufens zu verbessern: durch mehr Vielfalt an Geschäften, eine hohe Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raumes, eine gute Gastronomie und anderem. Ohne einen Bewusstseinswandel der Menschen wird sich der Trend ins Netz aber nicht drehen lassen. Solange sie nicht kapieren, dass sie der Qualität der Innenstädte schaden, wenn ihnen die eigene Bequemlichkeit und mitunter mickrige Preisvorteile die höchsten Güter sind.

Aber vielen Leuten ist das vielleicht sowieso egal, weil sie es gar nicht wahrnehmen. Wie auch, wenn sie dauernd nur auf das Display ihres Smartphones starren.

Mathias Bury