Das Umweltschutzamt lässt am Rotebühlplatz Löcher bohren. Der Grund: Tief im Boden werden giftige Substanzen vermutet.

Stuttgart - Die Sache stinkt zum Himmel. Aber nur, wenn das Erdreich in 30 Metern Tiefe frei läge. So aber riecht am Rotebühlplatz niemand auch nur einen Hauch von Schadstoffen. Es geht um den krebserregenden Stoff Perchlorethylen aus der Gruppe der Chlorkohlenwasserstoffe.

 

Spuren wurden auch in Cannstatter Mineralquellen gefunden

Experten suchen nun im Grundwasser nach Spuren des Stoffes. Dafür rammt eine Maschine, die seit Montag am Ende der Marienstraße steht, einen Bohrer in den Boden. 4,90 tief ist sie am Dienstagmorgen schon gekommen. Die Spur führt zu einer Reinigung, die bis zum Jahr 2002 am Rotebühlplatz stand. Sie habe zwar schon in den 1990er Jahren aufgehört, den gefährlichen Stoff zu verwenden, sagt Hermann Kirchholtes vom Umweltschutzamt der Stadt. Doch bis heute sind Spuren im Grundwasser nachweisbar.

Am Schlossplatz hat die Stadt dauerhafte Untersuchungsstellen eingerichtet. Regelmäßig werden dort Proben gezogen, und man fand darin Spuren von Chlorierten Kohlenwasserstoffen (CKW). Die Fachleute wollen nun anhand der Ergebnisse an verschiedenen Stellen versuchen nachzuweisen, welche Beziehungen in den Grundwasservorkommen der Stadt herrschen - von wo nach wo die Schadstoffe transportiert worden sein können. Offenbar sind sie weit gekommen: „Wir haben auch Spuren der CKW in den Cannstatter Mineralquellen gefunden“, sagt Kirchholtes. Jedoch habe der höchste gemessene Wert ein Mikrogramm pro Liter betragen. Mehr als zehn Mikrogramm pro Liter dürfen es nicht sein. „Wir sind weit unter dem Grenzwert.“

Die CKW sind seit 1992 verboten

Seit dem 31. Dezember 1992 dürfen solche Stoffe in Deutschland nur noch mit Ausnahmegenehmigung verwendet werden – und schon gar nicht in die Kanalisation geleitet werden. Doch genau das war seit den 1970er-Jahren in chemischen Reinigungen so üblich. Man kippte das Zeug, das in den Reinigungen für den süchtig machenden Geruch dieser umweltgefährdenden Stoffe verantwortlich war, einfach in den Kanal.

Aus heutiger Sicht undenkbar, aber damals eben üblich. „Doch das eigentliche Problem, mit dem wir heute zu tun haben, ist ein schadhafter Kanal“, erklärt Kirchholtes. Aus diesem Leck seien die Kohlenwasserstoffe in Boden und Grundwasser gelangt.

Daher lässt das Amt für Umweltschutz seit Montag tief bohren. Zunächst sollen die Bohrarbeiten die Altlasten identifizieren und untersuchen, dann unschädlich machen. Mit Hilfe von sechs jeweils rund 30 Meter tiefen Bohrungen wird die Ausbreitung der Schadstoffe im Grundwasser untersucht, die beim Betrieb der Reinigung in den Boden eingedrungen sind.

Zuständig für die Bohrung ist die Firma Drillexpert GmbH aus Teningen. Die Analyse und später auch die Beseitigung der Altlast koordiniert die Firma Boss Consult, die auf Umweltuntersuchungen dieser Art spezialisiert ist. Die Experten aus Südbaden richten vier Grundwasser-Messstellen auf dem Rotebühlplatz und zwei Grundwasser-Messstellen in der Sophienstraße ein. Die Bohrarbeiten sollen sechs Wochen dauern – pro Bohrloch eine Arbeitswoche. An den Bohrstellen müssen Teile der Fahrbahn und des Gehwegs vorübergehend gesperrt werden. Allerdings seien diese Behinderungen des Straßen- und Fußverkehrs das kleinere Übel, meint Hermann Kirchholtes. „Die Verunreinigungen liegen unter zwei bis drei Parkhäusern“, so der Experte vom Umweltschutzamt, „wir hatten zunächst überlegt über die Parkhäuser einen Zugang zu legen, aber das wäre unverhältnismäßig gewesen.“

Für die Kosten, die noch nicht feststehen, muss wohl der Steuerzahler aufkommen. „Da es früher rechtlich möglich war, solche Stoffe in die Kanalisation einzuleiten“, so Hermann Kirchholtes, „ist es praktisch unmöglich, jemanden haftbar zu machen.“

Für das Umweltschutzamt ist jetzt ohnedies nur eine Frage wichtig: Wie befreit man den Boden von der Kontamination? „Uns schweben zwei Verfahren vor“, sagt Hermann Kirchholtes. Variante eins wäre die Beseitigung der Schadstoffe durch Bakterien, an denen die Kohlenstoffe andocken und dann abgebaut werden. Bei der Variante zwei kommen Oxidantien zum Einsatz. „Aber ob dies alles so funktioniert, wissen wir noch nicht“, sagt Hermann Kirchholtes vom Umweltschutzamt der Stadt. Die Bekämpfung ist ein Pilotversuch: „In solch einem dichten Untergrund hat das noch niemand gemacht“, sagt Stefan Spitzberg, der Geschäftsführer der beauftragten Firma Boss Consult.