Im Gewässer im Pleidelsheimer Wiesental (Kreis Ludwigsburg) wächst die Schlammschicht. Experten arbeiten an einer Lösung, die aber nicht so leicht umzusetzen ist.

Unter Naturfreunden ist das Pleidelsheimer Wiesental alles andere als ein Geheimtipp. Wer aus der Region stammt und etwas für Tiere übrig hat, kennt das Areal in der Regel, kann hier zum Beispiel Stunden damit verbringen, verschiedene Vogelarten beim Jagen oder der Nestpflege zu beobachten. Doch mehr und mehr schrillen bei Fachleuten wie dem Ludwigsburger Ornithologen Claus König auch die Alarmglocken. „Das Wiesental ist in einem sehr schlechten Zustand“, sagt König.

 

Tiere kehren dem See den Rücken

Der See in dem Naturschutzgebiet sei verschlammt, drohe in Gänze zu verlanden, befürchtet der Experte. Er schätzt, dass die Sedimentschicht schon mindestens auf eine Dicke von einem Meter angewachsen ist. Der Wasserstand darüber bewege sich nur noch in ähnlichen Dimensionen. Es bildeten sich zu viele Nährstoffe, im Sommer bedecke ein grüner Teppich von Wasserlinsen das Gewässer. Schon jetzt hätten viele Arten das Gebiet wegen dieser unheilvollen Entwicklung verlassen. Der Exodus werde sich fortsetzen, wenn man nicht eingreife, prognostiziert König.

Das Land arbeitet an einer Lösung

Ein Trend, den man auch beim Regierungspräsidium (RP) in Stuttgart mit Sorge verfolgt. „Die zunehmende Verlandung des Gewässers beeinträchtigt die dort vorkommende Artengemeinschaft“, erklärt Sprecherin Josephine Palatzky. Wobei es sich dabei sogar um einen natürlichen Vorgang handelt. „Prozesse wie Nährstoff- und Substrateinträge von außen, also aus angrenzenden Flächen oder durch das zufließende Wasser, aber auch Ansammlungen von organischem Material durch Laubeinträge und die Pflanzen und Tiere im Gewässer selbst, sorgen für eine stetige Verschlammung“, erläutert Palatzky. Angesichts der sich zuspitzenden Situation sehe das RP Handlungsbedarf. „Wir sind uns des Problems bewusst und arbeiten an Lösungen“, versichert Palatzky. Die hohe Nährstoffbelastung in dem Baggersee begünstige das Wachstum der Wasserlinse. Es dringe nicht mehr genügend Licht in das Gewässer, andere Pflanzen könnten nicht mehr gedeihen. „Diese wären aber sowohl für die Bindung von Nährstoffen als auch für die Sauerstoffproduktion erforderlich“, erklärt Palatzky den Teufelskreis.

Um diesen Prozess aufzuhalten, der mit der natürlichen Verlandung eines solchen stehenden Gewässers einsetzt, müsse im Umkehrschluss die Menge des Schlamms reduziert werden. Schon 2017 sei deshalb eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben worden, wie das im Pleidelsheimer Wiesental am sinnvollsten erreicht werden könnte. „Als effektivste Maßnahme wurde das Ausbaggern des Sediments vorgeschlagen“, konstatiert die Pressesprecherin.

Zuvor hatte man leichtere Geschütze aufgefahren, was allerdings nicht von Erfolg gekrönt war. Im Jahr 2015 sei unter anderem damit begonnen worden, die Wasserlinsen mechanisch zu entnehmen. Auf diese Weise sollte vergleichsweise schonend „organische Substanz entzogen und die Belichtung und in Folge davon die Sauerstoffbilanz verbessert werden“. Ein nachhaltiger Effekt habe sich damit nicht erzielen lassen, dennoch seien Rast- und Brutvögel durch den Eingriff gestört worden.

Stiftung für die Finanzierung im Boot

Nun soll das Übel also quasi an der Wurzel gepackt werden, indem der See ausgebaggert wird. Am Geld dürfte es dabei nicht scheitern. Mit der Stiftung Naturschutzfonds BW habe man sich einen Partner mit ins Boot geholt, der sich um die Finanzierung „umfassenderer Maßnahmen“ kümmern würde, berichtet Palatzky. Außerdem wird die Rettung der Naturoase auf breiter Basis forciert. „Ein Runder Tisch mit Experten verschiedener Fachrichtungen sowie der Kommune Pleidelsheim wurde einberufen. Innerhalb dieses Gremiums werden die Maßnahmen auf ihre Eignung und Realisierbarkeit hin diskutiert“, betont die RP-Sprecherin.

Gleichwohl sind damit nicht alle Hürden beseitigt. „Das größte noch zu lösende Thema“ sei, wie der Schlamm entsorgt werden könnte. Daran arbeite man aktuell, beziehe dabei auch externe Spezialsten mit ein.

Untersuchungen haben laut Regierungspräsidium ergeben, dass die Sedimente im See mit Schadstoffen wie Cadmium, Chrom, Kupfer und Zink belastet sind, wenn auch nur „mäßig“. Zudem wiesen sie eine hohe Konzentration an organischem Kohlenstoff, Phosphor und Stickstoff auf. Das Material könne daher nach dem Ausbaggern nicht uneingeschränkt für Erdarbeiten oder zum Auftragen auf Böden verwendet werden. Stattdessen müsste der Schlamm auf eine Deponie gebracht werden, was jedoch sehr teuer sei. Obendrein sei ein hoher logistischer Aufwand erforderlich, um das Material aus dem See zu entnehmen und aufzubereiten. Der Schlamm müsste vor dem Abtransport getrocknet werden, wofür in dem Schutzgebiet kaum geeignete Flächen parat stünden. „Wir suchen daher gemeinsam mit externen Spezialisten nach einer Möglichkeit, all diesen Faktoren Rechnung zu tragen, und anschließend im Rahmen des Runden Tisches eine Entscheidung zu treffen“, fasst die RP-Pressesprecherin Stefanie Paprotka zusammen.

Bedrohung durch einen gefräßigen Säuger

Schwarze Wolken ziehen über dem Naturschutzgebiet aber nicht nur wegen der Verlandung und der Frage nach der Entsorgung des Schlamms auf. Fachleute vermuten, dass dort auch Waschbären aktiv sind, die Nester plündern, Amphibien verschlingen und deren Population im Prinzip von keinen natürlichen Feinden eingedämmt wird. „Waschbären sind äußerst geschickte Jäger und stellen daher eine Bedrohung unserer heimischen Biodiversität dar“, erklärt RP-Frau Josephine Palatzky. Gerade wenn die possierlich ausschauenden Säuger in Schutzgebiete eindrängen, „die oft die einzigen verbleibenden Rückzugsräume für heimische, bedrohte Arten darstellen, können sie großen Schaden anrichten“. Deshalb würden im Schulterschluss mit den Jägern vor Ort „geeignete Maßnahmenkonzepte entwickelt und umgesetzt“.

Rückzugsort für viele Vögel

Kiesgrube
Der heutige See im Pleidelsheimer Wiesental war früher eine Kiesgrube, wurde also zur Gewinnung von Rohstoffen genutzt. Das Gewässer und die umliegende Landschaft bieten einen Rückzugsort für zahlreiche Vogelarten, aber auch Amphibien und Insekten. Das Areal wurde 1977 als Naturschutzgebiet ausgewiesen.

Störche
Einige Jahre lang brüteten im Wiesental sogar Störche, und zwar nicht in einem künstlichen Horst, sondern auf einem Baum außerhalb einer Ortschaft, was eine kleine Sensation darstellte. Allerdings war es 2022 mit der Adebar’schen Herrlichkeit in Pleidelsheim vorbei. Das Paar zog aufs Schlössle im benachbarten Freiberg-Geisingen um.