Deutschland muss Mädchen und Jungen mit der Kindergrundsicherung endlich aus der Armut holen, kommentiert Tobias Peter.

Korrespondenten: Tobias Peter (pet)

Experten kann die Zahl nicht überraschen, schockierend ist sie dennoch. Der Kinderzuschlag erreicht nur jedes dritte Mädchen und jeden dritten Jungen, die Anspruch darauf haben. Das ist ein Jammer – aus doppeltem Grund.

 

Armut zeigt sich vielschichtig

Erstens leben dadurch viele Kinder „in versteckter Armut“, wie es die Linksfraktion im Bundestag zurecht kritisiert. Armut ist nicht nur eine Frage davon, ob das Geld für ein vernünftiges Pausenbrot ausreicht. Es geht auch darum, ob die Mitgliedschaft im Fußballverein oder das Geschenk für den Kindergeburtstag bezahlt werden kann. Von Kinderbüchern einmal ganz zu schweigen.

Zweitens richtet sich der Kinderzuschlag an eine Gruppe, die in der Debatte über das Bürgergeld zurecht eine wichtige Rolle gespielt hat. Es dürften nicht die Familien vergessen werden, die keinen Anspruch auf das Bürgergeld hätten, lautete die Mahnung. Familien eben, die trotz Eltern in Teil- oder Vollzeitjobs kaum genug zum Leben hätten.

Existenzminimum absichern

Das Bürgergeld muss das Existenzminimum absichern. Deshalb war auch die Erhöhung des Regelsatzes zu Beginn des Jahres dringend notwendig. Zugleich aber muss gelten: Wer arbeitet, soll mehr haben, als derjenige, der nur Sozialleistungen empfängt. Dazu leistet der Kinderzuschlag einen wichtigen Beitrag. Wenn er abgerufen wird.

Das alles macht deutlich, wie dringend eine Reform ist, die sich die Ampel-Koalition vorgenommen hat: Deutschland braucht endlich die Kindergrundsicherung. Wenn sie da ist, sollen die Menschen ein einfaches digitales Antragssystem nutzen können. Vor allem sollen unterschiedliche staatliche Leistungen, vom Kindergeld über den Kinderzuschlag bis zum Bildungs- und Teilhabepaket, zusammengefasst werden. Das Ziel ist, dass ärmere Familien besser unterstützt werden als bislang. Es ist ein dickes Brett, das hier gebohrt werden muss.

Kinderarmut ist ein Skandal

Kinderarmut ist und bleibt ein Skandal – erst recht in einem reichen Land wie Deutschland. Die Kindergrundsicherung kann ein Ausweg sein. Dazu muss der Finanzminister aber auch ausreichend Geld in die Hand nehmen. Für ihn wird die Sozialreform schon deshalb ein teures Projekt, weil die Kindergrundsicherung so angelegt sein soll, dass das Geld auch tatsächlich bei den Familien ankommt. Das – und auch noch einiges mehr – muss uns der Kampf gegen Kinderarmut unbedingt wert sein. Und zwar nicht nur aus sozialen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen.

Gerade mit der kalkulierenden Logik eines Unternehmensberaters lässt sich feststellen: Deutschland kann es sich angesichts des demografischen Wandels nicht leisten, auch nur ein Kind zurückzulassen. Wir müssen Kinder vor Armut schützen und mehr in ihre Bildung investieren. Der Vorschlag, neben dem Sondervermögen für die Bundeswehr auch eines für die Bildung einzurichten, ist alles andere als absurd. Jeder Cent, den Deutschland jetzt gegen Kinderarmut und für bessere Bildung anlegt, wird sich auszahlen.