Die Finanzaufsichtsbehörde Bafin und Verbraucherschutzorganisationen warnen vor einer ständigen Überwachung von Versicherungskunden. Moderne Technologien ermöglichen es der Assekuranz theoretisch schon heute, ihre Tarife am Puls oder Blutdruck ihrer Kunden auszurichten.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Die Finanzaufsichtsbehörde Bafin hat sich kritisch zur Erhebung von Bewegungs- und Verhaltensdaten von Versicherungskunden geäußert. Dank moderner Technik wären Versicherungen theoretisch in der Lage, ständig den Puls oder Blutdruck ihrer Kunden zu überwachen und ihre Tarife danach auszurichten, sagte Bafin-Chef Felix Hufeld am Donnerstag auf einer Konferenz seiner Behörde in Frankfurt. Möglich sind solche Messungen etwa über digitale Fitness-Armbänder.

 

Hufeld gab zu bedenken: „Auch ein gesundheitsbewusster junger Kunde wird irgendwann älter.“ Versicherungen müssten den „Risikoausgleich über Generationen hinweg“ im Auge behalten, was der Ausdifferenzierung von Tarifen nach Altersklassen und anderen Merkmalen Grenzen setze.

Gesundheitszustand entscheidet

Schon heute hängen die Kosten etwa von Risikolebensversicherungs- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen vom Alter und Gesundheitszustand des Kunden bei Vertragsabschluss ab. Eine fortlaufende Kontrolle würde nach Einschätzung Hufelds aber selbst bei Gewährung weiterer Rabatte auf Akzeptanzprobleme stoßen: Die Menschen wollten nicht „fortlaufend von einer Versicherung überwacht und analysiert werden“, sagte der Bafin-Chef.

Der Versicherer Generali bietet Kunden bereits Rabatte an, wenn sie freiwillig an einem Gesundheitsprogramm teilnehmen. Mit Vorsorgeuntersuchungen, Sportkursen oder eben auch dem Einsatz von Fitness-Armbändern können die Teilnehmer Punkte sammeln und dafür mit niedrigeren Beiträgen zur Berufsunfähigkeits- oder Risikolebensversicherung belohnt werden.

Nach Einschätzung von Andreas Braun, bis vor kurzem Leiter des Big-Data-Kompetenzzentrums der Allianz, funktionieren solche Versicherungsmodelle – auch verhaltensbasierte Tarife genannt – nicht besonders gut. Erste Erfahrungen in anderen Ländern zeigten: „Junge Leute haben mehr Sportverletzungen, als Couch Potatoes vom Sofa fallen“, sagte Braun, heute Geschäftsführer bei der internationalen Beratungsgesellschaft Accenture. Als Couch Potato werden Menschen bezeichnet, die einen Großteil ihrer Freizeit auf dem Sofa verbringen.

Fahrverhalten wird überwacht

Auch den Erfolg von verhaltensbasierten Kfz-Versicherungen hält Branchenexperte Braun für begrenzt. Bei diesen sogenannten Telematik-Tarifen bekommen Autobesitzer die Chance auf Beitragsermäßigungen, wenn sie ihr Fahrverhalten überwachen lassen. Dazu werden Daten etwa über das Bremsverhalten und die Beachtung von Tempolimits protokolliert, um das individuelle Unfallrisiko des Fahrers zu ermitteln. Diese Programme richtig aufzusetzen, sei komplizierter als zunächst angenommen, sagte Braun: „Wie wir mittlerweile wissen, bauen Autofahrer, die zu schnell fahren, weniger schwere Unfälle als die langsamen.“ Zu den folgenschwersten Unfällen mit Verletzten oder Toten komme es typischerweise, wenn der Fahrer abgelenkt sei – bei hohen Geschwindigkeiten sei die Aufmerksamkeit in der Regel hoch, erläuterte Braun auf Nachfrage. Der Verbraucherzentrale Bundesverband befürchtet dennoch, dass weitere Versicherungen versuchen könnten, Kunden mit Rabatten zur Preisgabe zusätzlicher Daten zu bewegen.