Pünktliche Regionalzüge sind in der Wahrnehmung vieler Pendler in der Region eher die Ausnahme als die Regel. Die Bahn hat offenbar mit Motivationsproblemen bei Mitarbeitern zu kämpfen – auch, weil viele Linien für sie Auslaufmodelle sind.

Region Stuttgart - Dieser Zug fällt aus.“ – „Aufgrund kurzfristiger Krankmeldungen müssen leider heute Nachmittag die Züge entfallen.“ An Durchsagen dieser Art haben sich Pendler in der Region Stuttgart, die regelmäßig mit DB-Regionalbahnen unterwegs sind, gewöhnt. Zwangsläufig. Auf mehreren Strecken, die durch die Region führen, kam es in jüngster Zeit zu vielen Zugausfällen oder technischen Defekten. Betroffen sind etwa die Frankenbahn zwischen Stuttgart und Heilbronn oder die Schusterbahn zwischen Kornwestheim und Stuttgart (siehe „Die betroffenen Strecken“).

 

„Dieser Zustand ist nicht haltbar“, teilt eine Sprecherin des Verkehrsministeriums mit. Sie verweist auf mögliche Sanktionsinstrumente wie etwa Vertragsstrafen. Hintergrund für die Probleme ist die Tatsache, dass die Bahn den Wettbewerb um den sogenannten Großen Verkehrsvertrag im Land verloren hat: Vom 1. Oktober an bedienen die privaten Konkurrenten Abellio und Go Ahead die meisten Strecken – theoretisch. Praktisch gestaltete sich der Übergang zum Herbst, zwei Monate vor dem regulären Fahrplanwechsel, für die Konkurrenten schwierig. Vor allem, weil kurzfristig nicht so viele Züge angeschafft werden konnten. Also ergatterte die Bahn noch Übergangsverträge. Dennoch sind für die DB viele Strecken wirtschaftliche Auslaufmodelle. Und das bringt mehrere Probleme: Offenbar werden die Züge weniger intensiv gewartet oder repariert, was die Zahl der Defekte eher erhöht. Gleichzeitig melden sich in jüngster Zeit wohl immer mehr Zugführer krank.

Fahrgastverband fordert Pünktlichkeitsdaten ein

Von „Motivationsproblemen beim Personal“ spricht man beim Verkehrsministerium und meint damit neben den Lokführern auch die Instandhaltungsarbeiter. Es würden „Gespräche geführt“, um möglichst viele Mitarbeiter bei den künftigen Betreibern unterzubringen. Zahlen zur Häufigkeit von Pannen oder Zugausfällen hat das Ministerium aber nicht parat. Auch auf der Webseite der Nahverkehrsgesellschaft NVBW, die Pünktlichkeitsdaten sammelt, wird man nicht klüger. Die aktuellsten Daten stammen dort noch von Oktober 2015.

Ein Unding, wie Matthias Lieb, der Vorsitzende des Fahrgastverbands VCD, findet. „Im Fahrgastbeirat haben wir das schon mehrfach angemahnt“, sagt er. „Wenn solche Zahlen zeitnah öffentlich werden, gibt es auch einen entsprechenden Druck.“ Bei NVBW und Ministerium zeigt man sich reumütig. Die Behörde sei jüngst zu stark mit der Abwicklung der neuen Verkehrsverträge beschäftigt gewesen. Ein paar Zahlen liefert sie dann doch noch. Sie zeigen, dass die Pünktlichkeit stark nachgelassen hat (siehe „Die betroffenen Strecken“).

Der Bahn drohen nur lasche Strafen

Matthias Lieb vom VCD beklagt Fehler beim noch gültigen Verkehrsvertrag. So berechne sich die Verspätung durch den Mittelwert von Ankunfts- und Abfahrtsverspätung. Wenn ein Zug verspätet ankommt, aber zügig weiterfährt, reduziere sich also die Vertragsstrafe stark. Die drohenden Zahlungen seien für die Bahn „nicht wirklich Wesentlich“, sagt Lieb.

Das Problem ist auch bei den Bürgermeistern im nördlichen Landkreis angekommen. Die Rathauschefs von Besigheim, Kirchheim am Neckar und Walheim haben dem Minister Winfried Hermann (Grüne) einen Brief geschrieben. „Service auf der Strecke, Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit sehen sicher anders aus“, heißt es da.

„Wir sind mit der Situation auch nicht zufrieden“, sagt ein Bahnsprecher. Die Gründe seien aber oft extern zu suchen, etwa durch Unfälle oder Starkregen bedingt. Auch habe es jüngst Probleme mit Baustellen gegeben. Das alles belaste die Zugführer stark. Dabei könne ein kranker Lokführer bewirken, dass bis zu sechs Zugfahrten ausfallen. Ohne Details nennen zu können betont der Sprecher: „Die Kollegen arbeiten durchaus schon an Lösungen.“

Die betroffenen Strecken im Land

Strecken
– Auf insgesamt fünf Strecken im Land kommt es laut dem Verkehrsministerium Baden-Württemberg in jüngster Zeit zu Problemen. Die Behörde zählt dazu die Frankenbahn zwischen Stuttgart, Heilbronn und Würzburg, die Schusterbahn zwischen Kornwestheim und Stuttgart-Untertürkheim, die Teckbahn zwischen Kirchheim/Teck und Oberlenningen, die Linie Tübingen-Stuttgart sowie die Stadtbahn Heilbronn-Nord zwischen Heilbronn, Mosbach und Sinsheim. Letztere wird aber nicht von der Bahn betrieben, sondern von der Albtal-Verkehrsgesellschaft (AVG) mit Sitz in Karlsruhe.

Daten
– Die Pünktlichkeitsstatistik der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg NVBW stellt der Deutschen Bahn als Betreiber des größten Streckennetzes im Land kein gutes Zeugnis aus. Dabei gelten grundsätzlich alle Züge, die weniger als sechs Minuten Verspätung haben, als pünktlich. Schon im Jahr 2015 fiel der Anteil der pünktlichen Züge im Durchschnitt von Januar bis Juni von knapp 94 Prozent auf etwas mehr als 90 Prozent zurück. Dieser Trend hat sich in diesem Jahr offenbar fortgesetzt. Im Januar kamen im Schnitt noch knapp 92 Prozent der DB-Züge im Regionalverkehr pünktlich. Im Juni rutschte diese Quote aber auf etwas mehr als 88 Prozent ab.

Probleme
– Tatsächlich sind viele Gründe für Verspätungen oder Zugausfälle keine hausgemachten DB-Probleme. So führte extremer Regen bei Neckarsulm zu Problemen mit dem Gleisbett. Bei Lauffen ist jüngst ein Traktor vom Weinberg auf ein Bahngleis gerutscht, die Strecke musste gesperrt werden.