Anton Hofreiter, der für die Grünen im Bahn-Aufsichtsrat sitzt, fordert den Rücktritt des zuständigen Netzvorstandes Volker Kefer. Unterdessen hat die Bahn massive Fehler bei der Personalplanung eingeräumt.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Wegen der drastischen Einschränkungen des Zugverkehrs in Mainz und des massiven Spar- und Renditekurses besonders beim Schienennetz gerät der zuständige Konzernvorstand der Deutschen Bahn, Volker Kefer, zunehmend unter Druck. Die Ablösung von Kefer als Hauptverantwortlichem der Misere sei überfällig, sagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Deutschen Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), der Stuttgarter Zeitung. „Wenn es jemanden gibt, der unmittelbar die Verantwortung für die Missstände beim Schienennetz und in den Stellwerken trägt, dann ist das niemand anders als der zuständige Infrastrukturvorstand Volker Kefer“, sagt Hofreiter. Die Zustände bei der DB Netz und das Krisenmanagement seien Armutszeugnisse für den Staatskonzern, die von der Regierung und Verkehrsminister Peter Ramsauer nicht länger hingenommen werden dürften.

 

Kefer sei bereits seit Anfang 2006 im Konzern für die Infrastruktur und deren zuverlässigen Betrieb verantwortlich, so Hofreiter. Unter seiner Führung sei die Netzsparte, die jedes Jahr Milliardenzuschüsse vom Steuerzahler erhalte, mit zum größten Gewinnbringer im Konzern geworden. Das sei maßgeblich durch massive Kosteneinsparungen und starken Personalabbau erreicht worden. Daraus resultierten nun die heutigen Probleme. Deshalb seien harte Konsequenzen auch an der Konzernspitze nötig, fordert der Ausschussvorsitzende. Es reiche nicht aus, wenn Manager bei der Tochter DB Netz reihenweise abgelöst werden, der Hauptverantwortliche für den Spardruck und das Missmanagement aber im Amt bleibe.

Kefer steht auch wegen der Kosten von Stuttgart 21 unter Druck

Der 57-jährige Kefer steht auch intern unter Druck, unter anderem wegen der weiteren Kostenexplosionen beim Großprojekt Stuttgart 21, die der Konzern Ende vorigen Jahres einräumen musste. Die Zuständigkeit für das Technikressort, das mit kaputten Zügen und unzuverlässigen Lieferanten, wurde dem langjährigen Siemens-Manager unlängst bereits entzogen. Kefer hatte Ende vorigen Jahres in einem internen Rundschreiben selbst massive Probleme in seinem Infrastrukturressort eingeräumt.

Das erneute Bahnchaos hat auch eine hitzige politische Debatte im laufenden Wahlkampf ausgelöst, bei der es vor allem um die Verantwortung der Parteien für die Missstände geht. Hofreiter wirft der Bundesregierung vor, die Aufklärung der Missstände im Deutschen Bundestag zu blockieren. Die geplante Sondersitzung des Verkehrsausschusses am kommenden Freitag werde wegen des Widerstands der Union wohl nicht stattfinden können.

Die Deutsche Bahn hat unterdessen die massiven Einschränkungen des Zugverkehrs in Mainz selbst als ein „Debakel“ bezeichnet, das nicht hätte passieren dürfen und sich nicht wiederholen dürfe. Das räumte Personalvorstand Ulrich Weber bei einem Krisentreffen mit der Bahngewerkschaft EVG ein. Kritik an der generellen Personalplanung im Konzern wies der Manager zurück. Man habe in den letzten Jahren 20 000 neue Mitarbeiter eingestellt.

Über acht Millionen offene Überstunden im Konzern

EVG-Chef Alexander Kirchner dagegen sieht grundsätzliche Probleme. Nicht nur in den Stellwerken, auch bei Lokführern, Zugbegleitern und in den Werkstätten fehle seit Jahren Personal. sagte Kirchner, der auch Vizechef des DB-Aufsichtsrats ist. Allein die Zahl der offenen Überstunden im Konzern liege inzwischen bei mehr als acht Millionen. Davon entfielen eine Million allein auf die rund 12 000 Stellwerker.

Kirchner hatte zuvor ein Treffen mit Bahn-Chef Rüdiger Grube vorerst abgelehnt. Der oberste Konzernlenker hatte Mitarbeiter im Stellwerk Mainz persönlich angerufen und um Verschiebung ihres Urlaubs gebeten, damit der Zugverkehr wieder stattfinden kann, der nach aktuellem Stand noch bis Ende August stark eingeschränkt sein wird. Bei der EVG stoßen die Anrufe auf Empörung. Das sei „ein Ding der Unmöglichkeit“, kritisiert Kirchner. Manche Kollegen im Mainzer Stellwerk hätten in diesem Jahr noch keine drei Tage am Stück frei gehabt, ihr Akku sei leer.

Die EVG fordert mehr Mitbestimmung der Betriebsräte bei der Personalplanung. „Wenn die Deutsche Bahn den permanenten Warnungen unserer Kolleginnen und Kollegen mehr Beachtung hätte schenken müssen, wäre eine Situation wie in Mainz nie eingetreten“, sagt Kirchner. Bis Mitte Oktober werde man die Personalplanungen des Konzerns überprüfen und Verbesserungsvorschläge vorlegen. Dienstpläne müssten wieder verbindlich sein und dürften nicht mehr aufgrund von Personalmangel dauernd geändert werden. Überstunden dürften nur die Ausnahme sein und der Anspruch auf Urlaub müsse „ohne wenn und aber gewährleistet werden“.

Bahnchef Rüdiger Grube hat am Mittwoch das Mainzer Stellwerk besucht. Eine Sprecherin der Bahn bestätigte entsprechende Meldungen. Die „Bild“-Zeitung berichtete unter Berufung auf die Bahn, Grube sei für 90 Minuten in Mainz gewesen und habe sich mit einigen Kollegen über deren Sorgen und Nöte unterhalten.