Der Korntaler Untergrund ist durch Gipskeuperschichten bestimmt. Diese machen an etlichen Stellen Probleme.

Korntal-Münchingen - Liegt der Vorhof zur Hölle ausgerechnet im heiligen Korntal? Diesen Eindruck kann der gewinnen, der die Ergebnisse der Bodenuntersuchung unter dem Fußballplatz anschaut. Vor kurzem haben Ingenieure die Rasenfläche des unteren Sportplatzes an der Jahnstraße geoelektrisch unter die Lupe genommen. Nun dehnt sich auf der Ergebnisgrafik an zwei Stellen jeweils ein enormer, tiefroter Farbfleck aus, der zu den Rändern hin nur allmählich heller wird. Dieses feuerige Rot ist ein Hinweis darauf, dass die Gutachter an diesen Punkten im Erdreich auf Anomalien gestoßen sind. „Hier sind die beiden großen Dolinen“, übersetzt Sonja Widmann, Leiterin des Tiefbauamtes von Korntal-Münchingen, die Grafik. Es seien schon zwei enorme Höhlen, die sich dort unterirdisch ausdehnen. Die Hohlräume, so Widmann, gehen sechs Meter in die Tiefe und jeweils 15 Meter in die Länge und in die Breite. „Wir gehen von einem Volumen von 1350 Kubikmeter pro Doline aus“, sagt sie. Die dritte Aushöhlung am Rande des Fußballplatzes ist im Vergleich dazu eine Lappalie. Dort hat Wasser vielleicht 30 Kubikmeter Gestein ausgewaschen.

 

Wollte die Kommune die drei Hohlräume unter dem Sportplatz auffüllen, müsste sie insgesamt mehr als 2700 Kubikmeter Beton anrühren. Zwar sind die Planer in der Stadtverwaltung lieber pessimistisch und haben die Daten aufgerundet. Aber die Sorge bleibt, dass sich auch diese großzügige Kalkulation als zu knapp bemessen herausstellen könnte. Angelika Lugibihl von der städtischen Umweltschutzstelle nimmt es mit Galgenhumor. „Was ist der Unterschied zwischen einem Theologen und einem Geologen?“, witzelt sie und gibt sich die Antwort: „Der eine war noch nie oben, der andere noch nie unten.“ Die enormen Ausmaße der Hohlräume hätten die Planer kalt erwischt, so die Tiefbauamtsleiterin Widmann. Womöglich stehen die Kosten, sie zu füllen, in keinem Verhältnis zu der Summe, welche die Kommune pro Jahr dem Sport zuschießt.

Verkarstung gibt es seit Jahrmillionen

Korntal hat Erfahrung mit einbrechenden Hohlräumen im Boden. Schon ihre Amtsvorgänger, so Widmann, hätten erlebt, dass im Stadtteil das Erdreich einsacke. Allerdings scheint es, so Lugibihl, dass in jüngerer Zeit vermehrt Hohlräume einbrechen (siehe „Wo sich die Erde auftut“). „Vielleicht achten wir seit der Rathaus-Problematik mehr darauf“, mutmaßt sie. Doch es scheine nicht unwahrscheinlich, dass die sintflutartigen Wolkenbrüche der Jahre 2009 und 2010 eine Rolle spielten.

Clemens Ruch vom Landesamt für Geologie in Freiburg wiegelt jedoch ab. Die Verkarstung des Gipsgesteins in Tallagen wie in Korntal sei ein Prozess, den es seit Jahrmillionen gebe. „Unterirdische Wasserströme lösen dies aus. Weniger das Wasser, das von oben kommt.“ Allerdings: in Korntal liegt die Gipsschicht ungewöhnlich oberflächennah. Möglich sei aber, so Clemens Ruch, dass durch schlampige Bauarbeiten oder lecke Leitungen Oberflächenwasser ins Erdreich gelange.

Bohrpfähle helfen beim Bauen, sind aber teuer

Was bedeutet dies für die Kommune, etwa für das geplante Baugebiet Korntal-West? Laut Ruch besteht kein Grund, im Stadtteil das Bauen einzustellen. „Der Gipskeuper ist ein bekanntes Phänomen in Baden-Württemberg.“ Der Untergrund erfordere zwar Umsicht, so Ruch, aber er sei bebaubar. „Man muss sich die Bodenverhältnisse genau anschauen.“ Der Durchmesser der Gipspakete könne bereits auf kleinem Raum sehr unterschiedlich sein. Sicherungsmaßnahmen seien steife Grundrisse und Bohrpfähle. Allerdings: „Dadurch wird das Bauen teurer.“

Für die Stadtverwaltung Korntal bedeutet dies Fahren auf Sicht. Mittelfristig plane man mit einem Rathausneubau, sagt Sonja Widmann. Zum Erfahrungsaustausch mit anderen Kommunen habe man sich allerdings nicht zusammengeschlossen, weil man sich nicht viel davon verspreche. „Die Situation bei uns ist eben sehr speziell.“

Wo sich Löcher auftun

Das Phänomen des absackenden Bodens tritt in Korntal entlang zweier Achsen auf. In Nord-Süd-Richtung hangabwärts ist der Bereich um die Goerdeler Straße betroffen. Auf geologischen Karten markieren schwarze Punkte, wo Dolinen eingesackt sind. Zentrum des unterirdischen Höhlensystems ist demnach der Saalplatz. Die Ausmaße des Dolinennetzes sind aber nicht bekannt. „Wir wissen nicht, wie groß die Hohlräume unter dem Rathaus sind“, sagt die Tiefbauamtsleiterin Sonja Widmann. Denn eine Bodenuntersuchung unter dem Fundament ist kompliziert. Einfach Beton einzuspritzen sei jedoch keine Lösung, sagt Angelika Lugibihl von der Umweltschutzstelle. „Schlimmstenfalls dringt der Beton ins Grundwasser ein oder verändert die Wasserströme.“ Dadurch könnte noch mehr Wasser in Kontakt mit den Gipspaketen kommen und als Folge das Gestein noch schneller verkarsten.

Bereits in den 60er-Jahren zeigten sich erste Risse in den Wänden des Rathauses. Seit 1988 dokumentiert die Stadt, wie sich das Gebäude setzt. Aktuell scheint sich dieser Prozess zu verlangsamen. Die Kommune misst nun nicht mehr alle zwei Monate, sondern inzwischen alle drei bis vier. In diesem Intervall senken und heben sich die Flügel des Rathauses um eine Differenz von 0,8 Millimetern. Zur Sicherung des Gebäudes hat die Stadt 1992 nachträglich Pfähle unter den Boden des Rathauses eingelassen. Sie sollen das Absinken des südöstlichen Flügels aufhalten. Als die Brüdergemeinde 2010 am Saalplatz ihr neues Gemeindezentrum baute, sicherte sie es mit 37 Bohrpfählen – und benötigte dafür 350 Kubikmeter Beton mehr als gedacht.

Die West-Ost-Achse verläuft bis Zuffenhausen

In West-Ost-Richtung verläuft die Achse von der Südstraße südlich der Bahnlinie bis nach Zuffenhausen. Der Sportplatz an der Jahnstraße ist der Schwerpunkt des Problems. Im September war auf dem unteren Feld ein Mitarbeiter des städtischen Bauhofs auf dem Rasen eingesackt. Das benachbarte Spielfeld ist erst 2011 aufwendig für 370 000 Euro saniert worden. Hier wurde bis in die 1930er-Jahre Gips abgebaut. Die Stollen wurden zwar gefüllt, doch anscheinend nicht sachgemäß. Als Spätfolge davon tat sich die Erde vor zwei Jahren auf.

Im Jahr 2008 entdeckten Bauarbeiter erst einen Riss in der Südstraße und danach, dass unter der Asphaltdecke die Kanalrohre bereits freilagen. Nach dem Unwetter vom Juli 2009 musste die Deutsche Bahn im Bereich des Korntaler Bahnhof an mehreren Abschnitten den Untergrund des Gleisbetts erneuern. jac