Gleich sechs wichtige Athleten des deutschen Teams müssen wegen Kreuzbandrissen auf die Olympischen Spiele verzichten. Warum der Kreuzbandriss so häufig vorkommt – und wie man ihm vorbeugt.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Ein wahrer Riss geht durch die deutsche Olympiamannschaft, genauer gesagt: der Kreuzbandriss. Damit verliert die Mannschaft so etwa fünf mögliche Medaillenchancen. Felix Neureuther und Stefan Luitz fehlen wegen ihres Knie-Malheurs den Alpinen, im Skisprung müssen Severin Freund und Svenja Würth passen. Dazu kommen die Freestylerin Lisa Zimmermann – und als Letzte im traurigen Kabinett jetzt noch die Skicrosserin Heidi Zacher.

 

Aber auch andere Nationen beklagen im Hinblick auf die Olympischen Winterspiele im Februar in Pyeongchang am Kreuzband verletzte Medaillenhoffnungen. Das Kreuzband ist in Sachen Verletztungen die größte Problemzone im Sport.

Was ist das Kreuzband im Knie?

Die Kreuzbänder befinden sich im Zentrum des Kniegelenks, und sie heißen so, weil sie sich dort kreuzen. Ihre Aufgabe ist es, zusammen mit den anderen Strukturen des Kniebandapparats, das Gelenk bei Bewegungen zu stabilisieren. Es gibt das vordere und das hintere Kreuzband. Sie halten gemeinsam mit den Seitenbändern das Kniegelenk zusammen. Das vordere Kreuzband begrenzt die Streckung des Kniegelenks. Das hintere Kreuzband verhindert eine Verschiebung des Schienbeinkopfes. Überdies schränken sie durch die Stabilität und Verlaufsrichtung ihrer kräftigen Fasern die Rotations-, also Drehbewegungen des Unterschenkels ein.

Was ist, wenn das Kreuzband reißt?

Die Kreuzbänder reißen bei indirekter Gewalteinwirkung. Von einem Riss des Kreuzbands spricht man bei einem teilweisen oder vollständigen Riss eines oder beider Kreuzbänder. Im Extremfall handelt es sich um einen vollständigen Ab- oder Ausriss, bei dem auch der Knochen Schaden nehmen kann. Der Kreuzbandriss ohne Knochenverletzung kommt aber weitaus häufiger vor.

Warum ist das Kreuzband so anfällig?

Auf das Knie wirken beim Leistungssport große Kräfte ein. Alpine Rennläufer verkannten oft im Schnee, dabei verdreht sich das Bein so, dass ein Kreuzband reißen kann. Im Fußball etwa kommt es nicht immer durch gegnerisches Einwirken zu solch einer Verletzung. „Viele Theorien sprechen dafür, dass auch ein gewisser Ermüdungsfaktor im Muskel eine Rolle spielt“, sagt Ulrich Boenisch. Der Facharzt für Orthopädie hat schon zahlreiche Profifußballer am Knie operiert.

Was ist die beste Behandlung?

Ein Kreuzbandriss erfordert nicht immer eine Operation, in vielen Fällen geht es auch ohne OP. Stattdessen wird die Stabilisation des Knies über den Muskelaufbau in der Physiotherapie hergestellt. Für einen chirurgischen Eingriff entscheidet man sich meist bei Sportlern, weil eine Operation gerade mit Blick auf Profikarrieren das beste Langzeitergebnis bringt. Bei dem Eingriff wird das verletzte Kreuzband genäht oder ersetzt. Manchmal wird eine Kreuzband-OP ambulant, meist aber stationär durchgeführt. Für den stationären Eingriff müssen die Patienten in der Regel maximal fünf Tage im Krankenhaus bleiben. Sie können aber noch in der Klinik mit der Physiotherapie beginnen.

Wie lange fällt ein Sportler aus?

Es heißt immer, die Rehabilitationszeit dauert sechs Monate – so lautet aber nur die öffentliche Meinung. In der Tat ist die Rückkehr in den Hochleistungssport aus medizinischer Sicht erst nach neun oder mehr Monaten sinnvoll. Schon nach wenigen Wochen werden die Athleten oft ungeduldig und denken sich: „Das muss doch schneller gehen.“ Aber: „Ein Kreuzbandriss bedeutete früher oft das Aus der Karriere“, sagt Kniespezialist Michael Strobel. Deshalb mahnt er die Sportler zur Geduld. Oft wissen sie erst nach dem zweiten Kreuzbandriss, wie wichtig der langsame Wiederaufbau des Kniegelenks tatsächlich ist.

Kann man ohne OP Sport treiben?

Ja. Der Schweizer Skirennläufer Carlo Janka macht es zum Beispiel. Hätte er sich operieren lassen, wäre er in der Olympia-Saison ausgefallen – auch Felix Neureuther hatte anfangs mit diesem Weg geliebäugelt. Janka hatte indes auch das Glück, dass er einen sogenannten isolierten Riss davongetragen hat. Der muss nicht unbedingt operiert werden. Seitenbänder und Meniskus blieben intakt. „Die Verletzung ist natürlich ein Rückschlag, aber die Saison hake ich deshalb nicht ab“, sagte Janka, der die Schwellung erst abklingen ließ und sich danach einer intensiven Rehabilitation unterzog. Janka fährt jetzt mit einer Knieorthese, einer Gelenkschiene aus Karbon – sie soll das Knie von außen stabilisieren. Noch vor Beginn der Saison haben sich im alpinen Bereich mehr als ein halbes Dutzend Fahrer und Fahrerinnen Kreuzbandrisse zugezogen. Auch die Abfahrts-Weltmeisterin Ilka Stuhec gehört dazu.

Ski-Sicherheitsexperte erklärt, wie man einem Kreuzbandriss vorbeugt

Andreas König, Sicherheitsexperte des Deutschen Skiverbands, erklärt, wie sich Sportler vor einem Kreuzbandriss schützen.
Herr König, welche Rolle spielt der Kreuzbandriss bei Freizeitskifahrern?
Der Kreuzbandriss ist eine typische Skiverletzung. Fast ein Drittel aller Skiverletzungen betrifft das Knie – kein anderer Körperteil wird so oft verletzt. Die Unfallzahlen sind in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Das Knie aber bleibt Spitzenreiter.
Wie können Skifahrer einem Kreuzbandriss vorbeugen?
Körperliche Fitness ist das A und O. Damit sollten Sportler nicht erst kurz vor dem Skiurlaub anfangen. Alles, was Bänder, Sehnen und Muskeln stärkt, ist gut. Fahrradfahren bietet sich an, außerdem Kniebeugen und Ausfallschritte. Sanfte Rotationsübungen mit einem Thera-Band oder am Seilzug sind auch geeignet. Im Alltag kann man üben: Treppe statt Lift benutzen, beim Zähneputzen oder Kochen auf einem Bein stehen oder in die Hocke gehen – alles, was die Sehnen und Muskeln stärkt.
Was sollten Sportler beim Fahren beachten?
Nicht direkt mit der schwarzen Piste anfangen, sondern langsam einfahren. Pausen machen und nicht zu lange am Stück fahren. Aufwärmübungen, die das Herz-Kreislauf-System in Schwung bringen, helfen. Das können Hampelmänner sein, Tritte auf der Stelle, Ausfallschritte zum Dehnen oder Kreise mit Oberkörper und Armen. Da reichen zwei bis fünf Minuten. Und was beim Skifahren sowieso passieren sollte: nicht stocksteif auf den Brettern stehen, sondern gebeugt in den Gelenken.
Und wenn doch etwas passiert ist?
Wenn man stürzt, sollte man die Muskeln anspannen, das schützt etwas besser. Die Hilfe von anderen annehmen, Rettung anfordern und auf die Erstversorgung warten. Das Knie schonen und kühlen. Wenn es möglich ist, die Unfallstelle absichern oder den Pistenrand aufsuchen.