Innerhalb von vier Wochen haben schon 12 000 Kunden die neue S-Klasse bestellt. Grund zur Freude hat auch die Belegschaft in Sindelfingen: Daimler investiert hier massiv. Am Mittwoch rollte die erste neue S-Klasse vom Band.

Sindelfingen - Der Daimler-Konzern stärkt seinen Standort Sindelfingen. In diesem größten Werk investieren die Stuttgarter allein in diesem Jahr etwa eine Milliarde Euro. Darin sind auch Ausgaben für die neue S-Klasse, deren Produktion am Mittwoch offiziell aufgenommen wurde, enthalten.

 

Diese ertragsstärkste Baureihe, die nach den Worten von Vorstandschef Dieter Zetsche den Ruf der Marke wie kein anderer Mercedes geprägt hat, will der Konzern auf insgesamt sechs Modellvarianten ausweiten. Deshalb werden im Zeitraum 2011 bis 2014 in Sindelfingen zum Beispiel 350 Millionen Euro in den Rohbau, 130 Millionen Euro in das Presswerk und 70 Millionen Euro in die Montage investiert. Im Juli kommen die beiden ersten Varianten, Limousinen mit kurzem und langem Radstand, auf den Markt, 2014 folgt das Coupe; die weiteren drei Modellvarianten sind noch nicht bekannt.

Ein zweiter Standort lohnt sich nicht

Die S-Klasse, die 2012 etwa 65 000-mal verkauft wurde, kommt komplett aus Sindelfingen. Dabei soll es nach Zetsches Worten auch bleiben, obwohl die Exportquote bei etwa 90 Prozent liegt. Mit Blick auf den großen Absatzmarkt China – dort wurden im Vorjahr 30 000 S-Klasse-Fahrzeuge abgesetzt – sagte Zetsche, die Stückzahlen insgesamt seien zu gering, um sie auf zwei Standorte zu verteilen.

Zetsche, Mercedes-Produktionschef Andreas Renschler und der Sindelfinger Werkleiter Willi Reiss hatten noch eine weitere gute Nachricht für den Standort bereit: Im Juli ist Baubeginn für ein Technologiezentrum Sicherheitssysteme, in das ein dreistelliger Millionenbetrag investieren wird.

Die C-Klasse verloren, die S-Klasse behalten

Andreas Renschler lobte bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als Produktionschef das Werk Sindelfingen und die dort arbeitenden Menschen in höchsten Tönen. Der gebürtige Stuttgarter, der bis April die Lastwagensparte geleitet hat, bezeichnete es als Privileg, wieder in Sindelfingen zu sein, wo er vor 25 Jahren nach dem Studium seine ersten Schritte im Konzern machte. „Ich bin stolz darauf, Teil dieser Truppe zu sein“, sagte er mit Blick auf die 22 000 Beschäftigten am Standort.

So viel Lob für das Werk ist keine Selbstverständlichkeit. So wird es immer wieder als Beispiel herangezogen, wenn es gilt, über hohe Lohnkosten und Sonderfaktoren wie die sogenannte Steinkühler-Pause für die Werker zu klagen. Vor wenigen Jahren hat Sindelfingen den Kampf um die C-Klasse-Produktion verloren; die Fertigung läuft 2014 aus und wird nach Bremen und in die USA verlagert. Und im Herbst 2012 stritten Management und Betriebsrat lautstark über Arbeitszeiten und Produktionsplanung; Hauptthema: die Kosten.

In Wörth gibt es nur einen Fototermin

Angezettelt haben soll diesen Konflikt Renschlers Vorgänger als Produktionschef, Wolfgang Bernhard. Im April haben die beiden ihre Jobs getauscht, weil die Arbeitnehmervertreter Bernhard, dem sie einen rüden Stil vorwarfen, nicht mehr als Mercedes-Produktionschef akzeptieren mochten. In der vergangenen Woche hatte auch Bernhard seinen ersten Auftritt, jedoch einen völlig anderen als Renschler.

In Wörth präsentierte er den Produktionsstart des neuen Lastwagens Arocs, was gewiss weniger glamourös ist als das gleiche Ereignis im Fall der S-Klasse. Eine Pressekonferenz fand nicht statt, lediglich einen Fototermin gebe es, dämpfte die Pressestelle schon im Vorfeld die Erwartungen. Erst in den nächsten Wochen, so heißt es, werde sich Bernhard äußern.

„Wir arbeiten nicht gegen den Betriebsrat“

Renschler hingegen präsentierte sich im Glanz der neuen S-Klasse und konnte dank der Unterstützung von Zetsche und Reiss auch knifflige Fragen meistern. Der 55-Jährige mochte sich nicht von seinem Vorgänger absetzen, sondern verwies vielmehr auf dessen Verdienste. So wurde die Fertigungszeit für ein Auto von einst 60 auf 40 Stunden gesenkt; nächstes Ziel sind 30 Stunden. Trotz des Lobs für den Standort ließ Renschler keinen Zweifel daran, dass die Profitabilität verbessert werden muss. „Sindelfingen hat den Anspruch und das Potenzial, einer der effizientesten Standorte zu werden“, sagte er. Und: „Dabei arbeiten wir nicht gegen den Betriebsrat, und der Betriebsrat arbeitet nicht gegen uns.“ Nach Angaben von Werkleiter Reiss wurde die Produktivität in der Montage der S-Klasse gegenüber dem Vorgängermodell bereits um zehn bis 20 Prozent gesteigert. „Insgesamt haben wir die Kosten für das Fahrzeug deutlich senken können“, ergänzte Zetsche. In der Montage sieht das Management offenbar noch Reserven, denn in Presswerk, Rohbau und Lackiererei gilt das Werk aus der Sicht von Reiss branchenweit als Vorbild. Betriebsratschef Erich Klemm hob in einer Stellungnahme den Sindelfinger Standortvorteil hervor: die enge Verzahnung von Entwicklung, Produktionsplanung und Produktion vor Ort. Reiss bezeichnete das Werk als Standort mit glänzenden Perspektiven, das überhaupt keine Beschäftigungsprobleme habe.