Großbritannien ist nicht mehr in der EU. Zerstört das unser Englandbild? Der Filmproduzent Michael Smeaton hat noch Hoffnung. Ein Gespräch über den Brexit, Rosamunde Pilcher und das echte Großbritannien.

Stuttgart - Michael Smeaton hat 1980 die Produktionsfirma FFP New Media gegründet, die er bis heute als Geschäftsführer leitet. 1993 produzierte der Sohn einer Westfälin und eines Schotten erstmals eine TV-Romanze, die auf einer Geschichte der 2019 verstorbenen britischen Bestsellerautorin Rosamunde Pilcher basierte. Was als Versuch begann, ist heute ein Erfolgsgarant: Neue Folgen der Kultserie erreichen regelmäßig mehr als fünf Millionen Zuschauer. Jährlich produziert die FFP New Media bis zu sechs neue Pilcher-Filme. Ein Gespräch über den Brexit, Rosamunde Pilcher und das echte Großbritannien.

 

Herr Smeaton, wie geht es den Briten?

Ich sehe ein tief gespaltenes Land: Die einen wollen in der EU bleiben, und die anderen sind froh, wenn sie endlich komplett raus sind. Wenn ich befreundete Briten heute auf das Referendum von 2016 anspreche, sagen übrigens nur ganz wenige, sie hätten für den Brexit gestimmt. Gerade in Cornwall, wo wir die Pilcher-Filme drehen, outet sich kaum einer. Statistisch haben dort aber rund 60 Prozent für den Austritt votiert.

Seit dem Jahreswechsel ist das Vereinigte Königreich endgültig auf sich allein gestellt. Wie geht es Ihnen damit?

Als großer Freund des Landes stimmt mich das sehr wehmütig. Ich bin zwar in Köln geboren und groß geworden, mein Vater aber kommt aus Schottland. Und die Schotten sind bekanntlich sehr europafreundlich.

1993 haben Sie den ersten Pilcher-Film produziert. Thatcher hatte sich aus der Politik verabschiedet, Deutschland war frisch vereint. Welches Land hat sich seitdem mehr verändert?

Deutschland verändert sich permanent. Und zwar zum Positiven, wie ich finde. Großbritannien hingegen ist in seiner Entwicklung stehen geblieben, was letztlich auch zum Brexit geführt hat: Insgeheim wollten die Befürworter des Austritts einfach nur den Commonwealth und ihr geliebtes altes Großbritannien zurück. Dabei haben sie vergessen, dass die Welt sich weiterdreht: Großbritannien hat nicht mehr den gleichen Einfluss wie einst. Das zu akzeptieren fällt manchen bis heute schwer.

Sehen das vier Jahre nach dem Referendum auch mehr Briten so?

So richtig einschätzen lässt sich das wohl erst in zwei oder drei Jahren, dann haben alle etwas mehr Abstand zu der Sache. Ich glaube aber schon, dass einigen Briten heute bewusster ist, für was sie damals eigentlich gestimmt haben.

Im deutsch-britischen Verhältnis gibt es neben den Pilcher-Filmen eine weitere verlässliche Konstante: Die Deutschen lieben die Insel – zumindest war das bis zum Brexit so. Warum eigentlich?

Eine schwierige Frage. Ehrlich gesagt: Das England, das die Deutschen lieben, gibt es gar nicht mehr. Wir haben ein sehr romantisiertes Bild im Kopf, das aber eher aus den Filmen der 1970er Jahre stammt und der Wirklichkeit nicht mehr gerecht wird. Was die Deutschen sich unter dem typisch englischen Leben vorstellen, findet man inzwischen nur noch in der britischen Königsfamilie: Feinster Tweed und Barbour-Jacken – das ist für uns England.

Aber dieses Englandbild vermitteln doch auch die Pilcher-Filme. Ist es nicht problematisch?

Keineswegs. Wir erschaffen in unseren Filmen ja kein neues Image für Großbritannien. Wir spiegeln nur ein Bild wider, von dem wir glauben, dass es genau dem entspricht, was die Deutschen von England erwarten. Unser Bild ist deshalb noch lange keine Lüge. Ich nenne unsere Verfilmungen gerne Märchen im positivsten Sinne: Wir zeigen eine ganz bestimmte Darstellung Englands, die das deutsche Publikum eben besonders schätzt.

Wie hat die treue Pilcher-Fangemeinde denn auf den Brexit reagiert?

Zum Brexit habe ich von den Fans nichts gehört. Warum auch? Unsere Zuschauer wollen einfach nur ihren Pilcher-Film sehen und sich an den schönen Landschaften Cornwalls erfreuen. Ob mit oder ohne Brexit, ist denen letztendlich egal.

Hat die deutsch-britische Freundschaft nicht trotzdem gelitten?

Das sehe ich nicht so. Vielleicht hat der ein oder andere Unternehmer künftig mehr zu kämpfen. Aber das verändert doch nichts an unserer gemeinsamen Geschichte. Seit dem Zweiten Weltkrieg sind die Deutschen mit den Engländern eng verbunden. Diese Freundschaft wird den Brexit überleben.

Zu Beginn unseres Gesprächs haben Sie gesagt, das Land und seine Bewohner seien tief gespalten. Was erhoffen Sie sich für die Zukunft Großbritanniens?

Ob diese Spaltung sich auflösen lässt, kann ich nicht sagen. Dafür bräuchte ich wohl eine Glaskugel. Für mich steht jedenfalls fest: Ich möchte gerne weiterhin nach Großbritannien reisen, gute Freunde von dort haben und Pilcher-Filme produzieren.