Mit dem Trend zu vegetarischer und veganer Ernährung steigt das Interesse an Hülsenfrüchten. Im Forschungsprojekt Linsel der Universität Hohenheim analysieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Linsen. Einigen Genotypen schreiben sie ein hohes Potenzial zu.

An der Universität Hohenheim geht in diesen Tagen das Forschungsprojekt Linsel zu Ende. Drei Jahre lang haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hier, in Gatersleben in Sachsen-Anhalt, in Salem am Bodensee und in Kassel intensiv mit Linsen beschäftigt. Aus mehr als 400 in einer Genbank gelagerten Proben haben sie sechs bis acht sogenannte Linsen-Genotypen identifiziert, die das Potenzial haben, zu ertrag- und proteinreichen Sorten weiterentwickelt zu werden.

 

Die Linse ist eine der ältesten Kulturpflanzen überhaupt und die Schwäbische Alb war bis in die 1950er Jahre eines der Hauptanbaugebiete in Deutschland. Aber dann verloren Landwirte und Konsumenten ein bisschen das Interesse daran. Die Pflanze selbst braucht Halt, weil sie zum Umkippen neigt, der Ertrag bei im Durchschnitt zwei Linsen pro Hülse ist nicht hoch, das Sortieren und Reinigen nach der Ernte bedeutet für Landwirte einen beträchtlichen Aufwand.

Das Interesse an Linsen steigt mit der Veränderung der Ernährungsgewohnheiten

Mit der Veränderung der Ernährungsgewohnheiten, dem Trend zu vegetarischem und veganem Essen, sind seit einigen Jahren Leguminosen, also Hülsenfrüchte von Soja bis zu den Linsen, wieder interessanter für Forscher, Landwirte und Vermarkter geworden. Die Alb-Leisa der Erzeugergemeinschaft Lauteracher Alb-Feld-Früchte ist das beste Beispiel dafür.

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An der Universität Hohenheim ist die Linse seit vielen Jahren Thema, Vorreiterin war die im vergangenen Jahr verstorbene Professorin Dr. Sabine Gruber. Ihrem Engagement ist auch das Linsel-Projekt zu verdanken, das 2019 gestartet wurde. Linsel steht für „Selektion geeigneter Sortentypen von Linsen (Lens Culinaris) für nachhaltige Anbausysteme“. Ziel des Projekts ist, „Landwirten an mitteleuropäische Verhältnisse gut angepasste Linsengenotypen zur Verfügung zu stellen“, um Ertrag und Qualität zu steigern. Das Zentrum Ökologischer Landbau der Universität Hohenheim koordiniert das Forschungsprojekt, Projektpartner sind das Hohenheimer Institut für Kulturpflanzenwissenschaften, die Abteilung Genbank des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben, das Keyserlingk-Institut für Saatgutforschung und Getreidezüchtung im biologisch-dynamischen Landbau in Salem und die Fachgruppe Ökologische Pflanzenzüchtung und Agrarbiodiversität der Uni Kassel.

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Auf kleinen Ackerparzellen des Betriebs Kleinhohenheim der Hohenheimer Uni wachsen die im Projekt verbliebenen Linsenpflanzen gerade intensiv. Manche ranken sich an Lupinen hoch, andere an Getreidesorten, wieder andere testen ihre Standfestigkeit ohne sogenannte Stützpflanze. Ausgesät worden sind sie etwa ab März. Von der Aussaat bis zur Blüte dauert es etwa drei Monate, von der Blüte bis zur Reife vergehen noch einmal acht Wochen.

Jede Phase des Anbaus und Wachstums wurde genau analysiert

In den vergangenen drei Jahren haben Annegret Pflugfelder vom Zentrum Ökologischer Landbau und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jede Phase akribisch genau beobachtet, ausgemessen, dokumentiert. Angefangen haben die Wissenschaftler mit einer Auswahl von rund 130 Linsen-Genotypen, die sie nach einer Analyse der in der Genbank vorhandenen mehr als 400 Proben für projektwürdig befunden hatten.

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Diese 130 Varianten wurden, verteilt auf die Projektpartner, zunächst auf kleinen Parzellen mit kleinen Zäunchen als Rankgitter angebaut. „An Rankgittern kann man die Entwicklung besser beobachten“, erklärt Annegret Pflugfelder. Das wurde einige Male wiederholt. Genotyp für Genotyp wurden Daten erfasst: Wann blühten die Pflanzen? Wann entwickelten sie die ersten Hülsen? Wann waren sie reif? Waren es Ein- oder Zwei-Korn-Hülsen? Wie groß war der Abstand zwischen dem Boden und der ersten Hülse, was für die Ernte wichtig ist? Wie hoch war der Proteingehalt? Mit den Erkenntnissen wurden aus den 130 Varianten zunächst rund 30 für weitere Versuche ausgewählt und die Prozedur wiederholt.

Jetzt müssen die Linsen-Genotypen weiter entwickelt werden

Am Ende des Linsen-Projekts haben sich sechs bis acht der Linsen-Genotypen als vielversprechend erwiesen. „Von dem Material, das wir gesichtet haben, kann sicher einiges zu noch besseren Erträgen und besserer Qualität führen“, sagt Annegret Pflugfelder. Das Interesse bei den Landwirten für einen Anbau dieser Varianten sei da, es habe bereits viele Anfragen gegeben. „Jetzt ist es einfach wichtig, in die Fläche zu gehen.“

Dafür fehlt aber noch das erforderliche Saatgut. Die Forscherin hofft, dass möglichst bald entweder Züchter für eine Weiterentwicklung einsteigen, oder dass sich möglichst mehrere Landessaatzuchtanstalten (LSA) zusammentun, um die erforschten Linsen-Varianten zu vermehren. Die LSA in Hohenheim hat bereits großes Interesse bekundet, ebenso wie die Alb-Leisa-Produzenten auf der Schwäbischen Alb. Die können dann vielleicht in einigen Jahren eine buntere Linsenvielfalt auftischen. Denn die jetzt ausgewählten Varianten sind entweder klein und schwarz, groß und gelb, oder, so Annegret Pflugfelder: „Es gibt sogar eine rosa Linse, die ganz toll ist.“