In zwei Wochen will das Polit-Ehepaar Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine seine linke Sammlungsbewegung offiziell starten. Nach ihren Angaben gibt es bereits 85 000 eingetragene Unterstützer – das wäre mehr, als die Linkspartei Mitglieder hat.

Berlin - Bildlich gesprochen ist es ein aufwändig verpacktes Päckchen mit einer schönen Schleife obendrauf. Was aber genau drin ist, soll die Öffentlichkeit am 4. September erfahren. Dann nämlich wollen die Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht und ihr Ehemann Oskar Lafontaine den offiziellen Startschuss für ihre linke Sammlungsbewegung #Aufstehen geben. Auch den politischen Forderungskatalog sowie die Namen der prominenten Unterstützer soll die Öffentlichkeit dann erfahren. Bis dahin wächst die Spannung. Und genau so soll es nach dem Willen der Initiatoren wohl auch sein.

 

Bereits im Januar hatte Wagenknecht ihr Projekt angekündigt, das jedoch innerhalb der Linkspartei äußerst umstritten ist. Nach eigenen Angaben hat die Bewegung #Aufstehen inzwischen 85 000 namentlich eingetragene Unterstützer beisammen. Das ist mehr, als die Linkspartei Mitglieder hat. Kein Wunder, dass einige Genossen argwöhnisch auf das schauen, was ihre prominente Frontfrau samt dem Linke-Gründer und Ex-SPD-Chef Lafontaine jetzt auf die Beine stellen will.

Wagenknechts Position zur Zuwanderung bleibt umstritten

Viele in der Linken sehen in dem Vorhaben eine Konkurrenz für ihre Partei, obwohl Wagenknecht beharrlich das Gegenteil behauptet. Sie wolle keine neue Partei gründen, sagt die 49-Jährige, sondern eine Bewegung, die Mehrheiten für linke Politik auch unter all jenen Bürgern organisiert, die sich von der aktuellen Politik nicht mehr vertreten fühlen, sich von Grünen und SPD abgewandt oder gar aus Protest AfD gewählt haben. Den inhaltlichen Schwerpunkt des Projekts soll eine breite soziale Agenda bilden.

„Wir wollen etwas Neues: keine Partei, sondern eine Bewegung für alle, die gemeinsam für unsere Ziele kämpfen wollen“, heißt es auf der Homepage der Sammlungsbewegung. Weiter steht dort: „Die Parteien des links-liberalen Spektrums, SPD, Grüne und Linke, haben es im letzten Jahrzehnt nicht geschafft, ein verlässliches Bündnis untereinander zu schmieden und mit einem politischen Gegenkonzept einen Machtwechsel in Deutschland herbeizuführen.“ Diese Formulierung überrascht insofern, als es in der Vergangenheit vor allem Wagenknecht selbst war, die eine Annäherung oder gar Bündnisse mit SPD und Grünen ablehnte. Beiden Parteien warf sie vor, neoliberale Positionen zu vertreten. Dabei hatte es in den vergangenen Jahren mehrfach eine rot-rot-grüne Mehrheit im Bundestag gegeben.

Unklar ist auch, ob zwei seit Jahren etablierte Politiker wie Lafontaine und Wagenknecht glaubhaft für einen linken Neustart stehen können. Immerhin ist Wagenknecht zugleich Linksfraktionschefin im Bundestag. Überdies sind ihre Positionen zur Begrenzung der Zuwanderung nach wie vor inner- und außerhalb ihrer Partei umstritten. Insofern dürfte interessant werden, welche Festlegungen die neue Sammlungsbewegung beim Thema Migration und Flüchtlinge treffen wird.

Die Linke hadert mit der Bewegung

Breite Unterstützung aus ihrer eigenen Partei erhalten die Gründer der neuen Sammlungsbewegung bislang nicht. Im Gegenteil. Linke-Chef Bernd Riexinger betonte unlängst in einem Interview, #Aufstehen sei kein Projekt der Linken, „es ist ein Projekt von Einzelpersonen“. Auch habe sich Wagenknecht trotz mehrfacher Einladung „leider bisher nicht zu einer Debatte im Parteivorstand“ über ihr Vorhaben durchringen können. „Ich bedauere das“, sagte Riexinger.

Auch Dietmar Bartsch, neben Wagenknecht Ko-Chef der Linksfraktion, ist zurückhaltend. Die Sammlungsbewegung sei bisher „ein eher virtuelles Projekt“ mit einer Internetseite und einigen Videos. Und ein Problem sei, dass Lafontaine und Wagenknecht „nicht zwingend für die Zusammenführung von Linken stehen“, so Bartsch.

Dennoch wächst die Zahl der Mitstreiter, darunter auch Prominente. Jüngster Neuzugang im Unterstützerkreis ist der ehemalige Grünen-Chef Ludger Volmer. „Wir arbeiten an einer linken Mehrheit“, sagte Volmer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Über die Grünen von heute äußert sich Volmer enttäuscht. Ihnen gehe es „nicht mehr um die Bekämpfung struktureller Armut, sondern um die Verschönerung des bürgerlichen Lebens“.

„Eine historische Chance, den Rechtstrend zu stoppen“

Auch in Wagenknechts persönlicher Anhängerschaft finden sich treue Unterstützer, etwa die Linke-Fraktionsvize im Bundestag, Sevim Dagdelen. Sie betont, die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung fänden zur Zeit im Parlament nicht statt. #Aufstehen sei „eine historische Chance, da die Bewegung überparteilich ist und die Kraft entfalten kann, den Rechtstrend zu stoppen“. Die Bewegung habe das Ziel, „unsere Parteien umzukrempeln, um wieder Wahlen zu gewinnen“.

Auch die Zwickauer Linke-Abgeordnete Sabine Zimmermann ist fest von Wagenknechts Projekt überzeugt. #Aufstehen sei „ein Appell an alle, die sich mit den herrschenden Zuständen in diesem Land nicht länger abfinden wollen“. Um einen Wandel zu erreichen, brauche es „eine parteiübergreifende Bewegung von unten“. Welche Rolle die Linkspartei dabei spielt, lässt Zimmermann offen. Sie findet: „Insbesondere bei SPD und Grünen gilt es, einen Wandel anzustoßen.“