Mit einem neuen Konzept will die Stuttgarter Ärzteschaft die gesundheitliche Situation von Menschen mit Immuntherapie verbessern. Rund 35 000 Patienten sind alleine in der Landeshauptstadt betroffen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die Zahl der Patienten, die eine Autoimmunerkrankung haben oder die gegen ein anderes Leiden mit sogenannten Immunsuppressiva behandelt werden, wächst. Das hat zur Folge, dass ihr Abwehrsystem eingeschränkt und dieser Personenkreis durch unterschiedlichste Infektionen gefährdet ist. Alleine in der Landeshauptstadt seien das „mindestens 35 000 Betroffene“, sagt Markus Klett, der Vorsitzende der Stuttgarter Ärzteschaft. Deshalb hat er sich mit einer Gruppe von Haus- und Fachärzten zusammengetan, die den oft mangelhaften Impfschutz dieser Patienten verbessern wollen. Am Mittwoch wurde dazu die Stuttgarter Deklaration verabschiedet.

 

Die körpereigene Abwehr sinkt

Ob in der Krebstherapie, nach Organtransplantationen, bei rheumatischen Leiden, bei chronischen Darmentzündungen, bei schwerer Schuppenflechte oder bei Multipler Sklerose, um nur einige Behandlungsfelder zu nennen: Immer häufiger werden bei Patienten Medikamente eingesetzt, welche die Immunreaktion des Körpers vermindern oder unterdrücken. Das ist für viele Betroffene ein Segen, hat aber Nebenwirkungen. Die körpereigene Abwehr sinkt, das Infektionsrisiko der stark belasteten Personen steigt. Eine einfache Influenza-Infektion kann da schon gefährlich werden und zu schwerwiegenden Komplikationen führen.

Wer glaubt, dieser Personenkreis habe besonders hohe Impfquoten, der irrt. Erst im vorigen März hat eine Studie der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts (RKI) am Beispiel der Pneumokokken das Gegenteil gezeigt. Während die Durchimpfungsrate gegen den gefährlichen Erreger, der eine Lungenentzündung und Herzprobleme verursachen kann, in der Gesamtbevölkerung 20 bis 30 Prozent betrage, liege die Quote der „Pneumokokkengeimpften bei Immunsuppression unter fünf Prozent“, sagt Markus Klett. „Das zeigt die Brisanz der Lage, darum müssen wir uns kümmern.“

Rund 600 000 Patienten im Land

Das sehen auch andere Ärzte in Stuttgart so. Immerhin werden alleine in Baden-Württemberg mindestens 600 000 Patienten mit Immuntherapeutika behandelt. Anfang April trafen sich 25 Mediziner unterschiedlicher Fachrichtungen, Haus- und Kinderärzte, aber auch Kliniker des Kinderhospitals Olgäle, des Robert-Bosch-Krankenhauses und des Diakonie-Klinikums. „Spannend und eine Besonderheit“, nennt der Vorsitzende von mehr als 5000 Stuttgarter Ärzten diese Zusammenarbeit. Das Ergebnis ist die sogenannte „Stuttgarter Deklaration zum Impfschutz bei Immunsupprimierten“, die am Mittwoch bei einem erneuten Treffen verabschiedet wurde.

Ziel sei es, durch mehr Öffentlichkeit die betroffenen Patienten und ihre Angehörigen besser aufzuklären und auf die Notwendigkeit eines guten Impfschutzes aufmerksam zu machen. Nicht selten sind Ärzte beim Impfen solcher Patienten, deren Gesundheit bei falschen Vorgehen auch gefährdet werden kann, unsicher. Sie sollen durch eine bessere Kooperation mit den Krankenhäusern und durch einen nach den Empfehlungen des RKI entwickelten Impfkalenders unterstützt werden. In der gefährdeten Patientengruppe, für die individuelle Impfpläne erstellt werden sollen, müsse man den Impfschutz „auf mindestens 50 bis 80 Prozent“ erhöhen, so Klett.