In Lorch entsteht ein komplettes Häkelgewand für ein kleines Häuschen auf dem Klosterareal. Mehr als 100 Quadratmeter haben Ehrenamtliche in etlichen Handarbeitsstunden bisher gefertigt. Der Entwurf von Dionys Ottl ist Teil des Gartenschau-Projekts „16 Stationen“.

Lorch - Der Architekt aus München steht sockig auf der Leiter und hängt Meter um Meter Gehäkeltes an die Wand. Stück für Stück entsteht eine Fassade. Mal sind kunstfertige Muster eingearbeitet, mal bestehen die einzelnen Teile ausschließlich aus groben Gittern.

 

Zum ersten Mal bekommt man an diesem Tag einen kleinen Eindruck davon, wie fleißig die vielen ehrenamtlichen Helfer ihre Nadeln geschwungen haben, damit die Vision von Dionys Ottl Wirklichkeit wird: Er ist einer der Architekten, die sich am interkommunalen Projekt „16 Stationen“ der Remstal-Gartenschau beteiligen. Seine Idee: das so genannte Luginsland-Gebäude im Kloster Lorch einhäkeln zu lassen.

Das Häuschen wird eingehäkelt, um es sichtbarer zu machen

„Das war eine spontane Eingebung“, sagt Ottl, Mitinhaber des Büros Hild und K Architektur. Der Grundgedanke sei gewesen, das kleine unscheinbare Gebäude – das vermutlich einst als Wachhäuschen diente – eine zeitlang verschwinden zu lassen, damit es gerade dadurch an Aufmerksamkeit gewinnt. Inspiriert durch die Fachwerkstruktur und die Art Kissen, die zwischen den Balken entstehen, hat sich Ottl für eine textilen Überwurf entschieden.

Ein Hingucker dürfte diese Station auf jeden Fall werden. Eingehäkelte Laternenmasten hat man vielleicht schon einmal gesehen, aber ein ganzes Gebäude? Obwohl noch große Teile des Daches fehlen, hat das Häkelgewand bereits eine Größe von mehr als 100 Quadratmetern. „Es war gleich klar, dass das ein Projekt sein soll, an dem sich möglichst viele Bürger beteiligen können und sollen“, erzählt Ottl, der aber nicht einfach nur die Menschen vor Ort machen lässt, sondern etwa einmal im Monat nach Lorch kommt, um mit seinen – meist weiblichen – Mitstreitern die Details zu besprechen. „Es ist wirklich ein großes Glück, dass wir mit ihm zusammenarbeiten dürfen“, sagt Bürgermeister Karl Bühler und berichtet, dass das Projekt die Gemeinde rund 70 000 Euro kosten wird.

Rund 40 Frauen und Männer häkeln mit

Tatsächlich ist an diesem Nachmittag zu spüren, dass die Chemie stimmt zwischen Ottl und den Ostälblern. Im Sitzungssaal gibt es Kaffee und Hefezopf, die Häklerinnen sind gekommen, um ihre fertigen Teile abzugeben und neue Schnittmuster und Garn entgegen zu nehmen. Etwa 40 Frauen und Männer haben mittlerweile fast 60 Kilometer gebrochen-weißen Nylonfaden verhäkelt. Darunter sind jüngere und ältere Lorcher, Bewohner des Altenheims auf dem Klostergelände, Frauen mit Migrationshintergrund – und Handarbeitsfans von anderswo. „Bei einer Klosterführung habe ich von dem Projekt erfahren. Das hat mich so begeistert, dass ich mit meinem Handarbeitstreff mitmache“, erzählt Rosa Schambeck aus Süßen im Filstal.

Ottl und seine Kollegin Anna Schork verteilen die Schnittmuster, die nur die Größe vorgeben, alles weitere ist der Kreativität der Häkler überlassen. Die Frauen müssen selbst testen, wieviele Maschen sie benötigen, um die Fläche zu füllen. „Letztens war meine Schräge zu kurz, dann musste ich es nochmal auftrennen“, sagt Rosemarie Wruch, die bereits sechs Teile zugeliefert hat: „Das ist eine tolle Gemeinschaftsarbeit, das wird nie langweilig.“

Mit einer eigens entworfenen Strickliesl wird das Dach gefertigt

Ziemlich kreativ war auch Bärbel Vetter. Sie hat eine überdimensionale Strickliesl gebaut, mit Hilfe derer die großen Dachflächen hergestellt werden sollen. „Dafür braucht man eigentlich nur zwei Daumen, das können selbst Herren machen“, sagt Dionys Ottl und lacht. Zumal es schon einiger Kraft in den Fingerkuppen bedarf, um das fünf Millimeter dicke Garn über die Noppen der Strickliesl zu schieben: „Da sollte man am Anfang vielleicht nur eine halbe Stunde am Stück dran schaffen“, rät Bärbel Vetter.

Die örtliche Zimmerei Frey hat derweil einen maßstabsgetreuen Dummy des Luginsland-Daches gefertigt. Mit diesem soll getestet werden, ob die Größe des Überwurfs stimmt. Denn Ende April/Anfang Mai soll das komplette Häkelgewand am Stück über das kleine Häuschen gezogen werden – vermutlich mithilfe eines Mobilkrans. Ein weiteres Experiment läuft im Garten Dionys Ottls. Dort hat der Architekt ein gehäkeltes Stück aufgehängt: „Wir wollen testen, wie wetterbeständig das Material ist. Bisher sieht es gut aus.“