An Biogas komme man in der Energiewende nicht vorbei, sagt ein Hohenheimer Wissenschaftler. Ein Projekt gewinnt Treibstoff aus Kuh-Fäkalien. Der Testbus pendelt zwischen Münsingen und Reutlingen.

Das Verbrenner-Auto gilt aufgrund des CO2-Ausstoßes als klimaschädlich. Wiederkäuer wie Kühe und Schafe wiederum werden wegen ihrer natürlichen Methan-Emissionen kritisch beäugt. Die organische Verbindung entsteht bei der Verdauung im Pansen. Wäre es nicht fantastisch, die tierischen Absonderungen in den Tank füllen und CO2-frei nutzen zu können? So direkt funktioniert das nicht. Doch es ist möglich, das Methan in einer Biogasanlage aus Kot und Harn zu entziehen, es aufzubereiten und letztlich als Treibstoff zu verwenden: bei negativer Emissionsbilanz. „Wer mit Methangas fährt, produziert auch keinen Feinstaub“, erklärt Andreas Lemmer, Dozent an der Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie der Uni Hohenheim. „Gleichzeitig trägt er dazu bei, die Methanemission aus der Landwirtschaft zu senken.“ Insgesamt ergebe sich eine Minderung der Umweltbelastung um 165 Prozent.

 

Biomethangas für Busse

Lemmer erforscht gemeinsam mit regionalen Busunternehmern die Einsatzmöglichkeiten von Methan im ÖPNV. Während Hybrid- und Elektroantriebe innerstädtisch gut funktionierten, komme es auf den Strecken des Regionalverkehrs schnell zu Reichweitenproblemen, so der Fachmann. 400 bis 500 Kilometer am Tag seien mit einem Elektrofahrzeug nicht machbar. Auch seien Elektrobusse kostspielig in Anschaffung und Wartung. Biomethangas könnte Abhilfe schaffen. Kleiner Schönheitsfehler: Aktuell wird es meist ins Erdgasnetz eingespeist. Das Problem gegenüber der Kraftstoffnutzung sind die höheren Anforderungen an die Aufbereitung, die nur für große Biogasanlagen wirtschaftlich darstellbar ist.

Das Projekt „NEObus – Negative Emission ÖPNV“ der Universität Hohenheim lotet die Möglichkeit aus, Methangas mit einer vergleichsweise kleinen Aufbereitungsanlage zu erzeugen und einem kleinen, lokalen Speicher zuzuführen. 20 bis 25 Tonnen Ausgangsstoff können täglich in tankbares Gas umgewandelt werden. Busse sind, da sie regelmäßig kalkulierbare Mengen an Treibstoff benötigen, ideale Abnehmer. „Die Busunternehmen stehen unter Druck“, erklärt Lemmer. „Bis 2026 müssen laut EU 45 Prozent der Busse emissionsarm oder -frei betrieben werden.“ Hinzu kommen seit Putins Krieg die steigenden Treibstoffpreise.

Großes Interesse am Liquid Natural Gas

Methan bietet sich für zwei Arten der Aufbereitung an. Zum einen lässt es sich unter Druck zu Compressed Natural Gas (CNG) verdichten, zum anderen durch Herunterkühlen auf -162 Grad zu Liquid Natural Gas (LNG) verflüssigen, dessen Reichweite noch höher ist. Beide Varianten kommen im Zuge des Hohenheimer Projekts zum Einsatz. In der Forschungsbiogasanlage „Unterer Lindenhof“ in Eningen entsteht eine Pilotanlage zur Herstellung von Bio-LNG. Getestet wird der Treibstoff mit einem Hybrid-Bus, der zwischen Münsingen und Reutlingen verkehrt.

Parallel wird an einer Biogasanlage bei Ravensburg eine neuartige Gasaufbereitung für CNG erprobt. „Besonders an LNG besteht auf dem Markt sehr großes Interesse“, sagt Andreas Lemmer. Interessant sei neben den Treibstoffen selbst aber auch der Aspekt, lokale Kreisläufe zu schaffen. Treibstoff aus der Region für die Region – unabhängig von Lieferketten.

Offen bleibt, warum der Anteil gasbetriebener Pkw so gering ist. Zumal diese Energiequelle billiger ist, da keine Mineralölsteuer anfällt. Fahrzeug-Modelle waren und sind vorhanden, wurden aber kaum beachtet und werden eher aus den Programmen der Hersteller genommen. Bleiben Bereiche wie ÖPNV oder landwirtschaftliche Fahrzeuge. „Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, brauchen wir eine verlässliche Lösung, die auch kurzfristig funktioniert“, sagt Lemmer. Am Biogas führe kein Weg vorbei.