Das Projekt Omid richtet sich an traumatisierte, psychisch belastete Flüchtlinge in Stuttgart. Dazu gehören Kurse, in denen der gemeinsame Spaß im Vordergrund steht, aber auch Einzelgespräche mit Psychologen.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Oft braucht es Zeit, bis jemand bereit ist, sich zu öffnen. Diese Erfahrung hat die Psychologin Letícia Franieck vom Projekt Omid gemacht. Dessen Zielgruppe sind psychisch belastete Flüchtlinge; vor allem von Krieg und Flucht traumatisierte Menschen sollen stabilisiert werden. Sie sollen Hoffnung schöpfen – Omid ist das persische Wort für Hoffnung.

 

Das Projekt des Caritas-Verbands geht dabei niederschwellig vor. Es ist dort angesiedelt, wo die Flüchtlinge leben. Letícia Franieck zum Beispiel hat seit drei Jahren ihr Büro in der Flüchtlingsunterkunft Tunzhofer Straße. Die Flüchtlinge dort nennt sie ihre Nachbarn. Und einer dieser Nachbarn klopfte kürzlich an ihre Tür. Er berichtete ihr von seinen seelischen Narben und bat sie um Hilfe. Er habe Angst, dass er seinen Frust eines Tages an seinen Kindern auslasse, sie zum Beispiel schlage. „Seither führe ich Einzelgespräche mit ihm“, sagt Franieck. Ein Dolmetscher unterstützt sie bei ihrer Arbeit.

Im Herbst 2014 hatte der Caritasverband Omid ins Leben gerufen, ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung aus einem Fonds der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Seit dem 1. Januar 2018 wird das Projekt zur Hälfte von der Stadt mitfinanziert – die Mittel hierfür (290 000 Euro) kamen vom Land aus dem Pakt für Integration. Die stabilisierenden Einzelgespräche bilden einen Schwerpunkt des Projekts, sogenannte psychohygienische Kurse sind ein weiterer Bestandteil. Darunter gefasst werden Kurse, in denen der Spaß im Vordergrund steht. Letícia Franieck zum Beispiel leitet einen Tanzkurs, an dem arabische, persische und jesidische Frauen teilnehmen – gemeinsam tanzen sie, mal zu arabischer, dann zu persischer, dann zu jesidischer Musik. Den Frauen tue das sehr gut, „die Aktivität macht ihnen Spaß“, sagt die Psychologin mit brasilianischen Wurzeln.

Vermittlung an niedergelassene Therapeuten schwierig

Es gehe auch darum, das Selbstwertgefühl der Personen zu verbessern, erklärt Irini Sokolaki, eine weitere Psychologin aus dem Projekt. Sie bietet zum Beispiel Kurse in Betongießen und Acrylmalerei an. Darüber ließen sich auch die Männer gut erreichen. Sie fänden leichter Anschluss durch die Aktivität – und sie selbst könne über die Kursarbeit schnell sehen, wenn jemand Hilfe braucht. Die Vermittlung an niedergelassene Therapeuten sei schwierig, da nur sehr wenige sich auf dieses Klientel einließen, weil sie ungern mit Dolmetscher arbeiteten. Die therapeutischen Anlaufstellen für Geflüchtete, Refugio und PBV, seien weiter überlaufen.

Allein im Jahr 2018 haben laut Stadt in rund 20 Gemeinschaftsunterkünften verschiedener Träger Omid-Angebote stattgefunden. Mehr als 700 Einzelgespräche wurden geführt, hinzu kamen mehr als 180 Gruppenangebote. Die Teilnehmerzahl lag bei mehr als 1300. Neu hinzukommen soll nun eine Elterngruppe, um zu verhindern, dass Eltern ihre Frustration an ihren Kindern auslassen.

Mehrheit sieht das Projekt positiv

Bei der Stadt schätzt man das Omid-Projekt – die Verwaltung würde es gerne auch ab 2020 weiterfördern, da es laut einer Vorlage für den Gemeinderat einen wichtigen Beitrag zur psychischen Stabilisierung geflüchteter Menschen leiste. Die Fraktionen, denen das Projekt sowohl im Sozialausschuss als auch im Internationalen Ausschuss vorgestellt wurde, wollen den Haushaltsplanberatungen nicht vorgreifen, machten aber mehrheitlich deutlich, dass auch sie das Projekt positiv sehen.