Seit 2015 trainieren Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom in Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg). Das Angebot ist Teil eines besonderen Kooperationsprojekts. Die Initiatorin sieht viel Nachholbedarf bei Sportangeboten für Menschen mit Behinderung.

Ludwigsburg: Frank Ruppert (rup)

„Jeder sollte die Möglichkeit haben, sich sportlich zu betätigen.“ Das ist nicht nur Natja Stockhauses Leitgedanke, sondern auch gewissermaßen das Motto hinter einem besonderen Sportangebot, das es bereits seit 2015 in Kornwestheim gibt. Stockhause ist selbst seit 40 Jahren beim SV Salamander aktiv und Übungsleiterin. Zudem leitet sie das Projekt „FIT“ – das steht für „Förderung, Inklusion und Training“. Ein Kooperationsprojekt zwischen 46Plus und dem SV Salamander Kornwestheim. Dabei trainieren Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom gemeinsam und bereiten sich auf Wettkämpfe vor.

 

Mittlerweile gibt es sogar eine Warteliste

Vor 22 Jahren hat Stockhause ihren Sohn Timo bekommen. Der Junge mit Down-Syndrom ist zunächst wie seine Eltern – der Vater war Zehnkämpfer – aktiv im Verein und trainiert in jungen Jahren inklusiv in der Leichtathletikabteilung des Vereins mit. „Irgendwann ging dann aber die Schere der Leistungsfähigkeit zwischen ihm und seinen Teamkameraden immer weiter auseinander“, erzählt seine Mutter. Das hat bei dem Jungen zu Frust geführt und er drohte den einst so großen Spaß an Bewegung vollends zu verlieren.

„Durch die vielen Kontakte zu anderen Eltern in ähnlicher Situation über den Verein 46Plus aus Stuttgart entstand dann die Idee, eine inklusive Sportgruppe für Kinder und Jugendliche mit geistiger Beeinträchtigung zu starten“, sagt Natja Stockhause. Der SV  Salamander suchte außerdem anlässlich seines 120-jährigen Bestehens nach einem Projekt, für das er Spenden sammeln konnte, und so war vor zehn Jahren also die Idee des Kooperationsprojekts geboren. 26 000 Euro kamen damals zusammen – und seither ist die Nachfrage für einen Platz in der Sportgruppe, die sich jeden Donnerstag in Kornwestheim trifft, weiter gestiegen.

Natja Stockhause leitet das Projekt FIT in Kornwestheim. /Conny Wenk

Angefangen hatte alles zunächst mit Projektwochen im Frühjahr, doch mittlerweile gibt es das ganze Jahr über Programm. „Im Sommer legen wir den Schwerpunkt auf Leichtathletik, ansonsten spielen wir auch Handball und Fußball“, so Stockhause. Aus den anfänglich zwölf bis 14 Teilnehmern sei ein Stamm aus gut 30 bis 40 Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen geworden. Es gebe derzeit sogar eine Warteliste.

Fritzle und der OB schauten beim Camp in Kornwestheim vorbei. Foto: Werner Kuhnle

Während die FIT-Gruppe zu Beginn noch als inklusive Gruppe ausgelegt war, und sowohl Kinder mit als auch Kinder ohne Behinderung gemeinsam Sport trieben, hat sich das aufgrund der hohen Nachfrage von Eltern mit Down-Syndrom-Kindern verändert. „Die Kinder ohne Beeinträchtigung vom Start sind nun als Übungsleiter dabei, aber jetzt besteht die Gruppe nur noch aus Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Down-Syndrom“, sagt Stockhause.

Athleten mit Down-Syndrom feiern Erfolge

Die Gruppe hat 2023 mit zwei Athleten an den Weltspielen der Special Olympics in Berlin teilgenommen und dort sogar eine Goldmedaille gewonnen. Aktuell seien noch zwei weitere Athletinnen aus der Sportgruppe für das Deutsche Team nominiert, um bei den Welt-Winterspielen von Special Olympics im Ski Alpin im März 2025 in Turin an den Start zu gehen. „Alles ist möglich – man muss nur die Chance ergreifen, mit viel Leidenschaft starten und fest daran glauben“, sagt Stockhause.

Viel Spaß beim VfB-Sportcamp in Kornwestheim. Foto: Werner Kuhnle

Sie strahlt viel Zuversicht aus, und betont bei der Frage nach dem größten Unterschied in der Arbeit mit Menschen mit Trisomie 21 im Vergleich zu einer Gruppe mit Menschen ohne Beeinträchtigung sei die Herzlichkeit: „Ich wurde noch nie so viel umarmt wie in den Übungsstunden hier“, sagt Stockhause. Natürlich brauche man aber mehr Geduld bei der Arbeit mit Sportlern mit geistiger Beeinträchtigung und es seien auch schlicht mehr Übungsleiter notwendig.

Ein weiterer Pfeiler der Kooperation fand kürzlich ebenfalls in Kornwestheim statt. Zum neunten Mal hat die VfB-Fußballschule in Kooperation mit 46Plus und dem SV Kornwestheim ein Inklusionscamp veranstaltet, bei dem Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung gemeinsam ihr fußballerisches Können auf dem Platz unter Beweis stellen. „44 Kinder waren angemeldet, aber die Nachfrage ist sehr groß“, sagt Stockhause. Generell gebe es noch zu wenige Sportangebote für Menschen mit Behinderung in der Region. Die Kornwestheimerin hat aber auch Verständnis für die Vereine, die ohnehin schon häufig Probleme hätten, für das aktuelle Programm genug Übungsleiterinnen und -leiter zu finden.

Das ist das Down-Syndrom

Keine Krankheit
Beim Down-Syndrom handelt es sich laut dem Arbeitskreis Down-Syndrom Deutschland nicht um eine Krankheit, sondern um eine unveränderbare genetische Besonderheit. Anstatt der üblichen 23 Chromosomenpaare in allen menschlichen Zellen weisen die Zellen der Menschen mit Down-Syndrom ein zusätzliches Chromosom auf. Das Chromosom 21 ist bei ihnen dreifach vorhanden, deshalb spricht man auch von einer „Trisomie 21“.

Unterschiedlich
Die Chromosomenveränderung beeinflusst die körperliche und geistige Entwicklung in nicht vorhersehbarer und unterschiedlicher Weise. Deswegen sind Menschen mit Down-Syndrom genauso unterschiedlich wie andere Menschen auch. Gemeinsam haben sie zwar ein charakteristisches äußeres Erscheinungsbild, das aber bei genauem Hinschauen höchst individuell ist und verblüffende Familienähnlichkeiten aufweist.

Keine Statistik
Weltweit leben etwa fünf Millionen Menschen mit Down-Syndrom. In Deutschland werden jährlich ungefähr 1200 Kinder mit Down-Syndrom geboren, damit ist rund jede 700. Geburt ein Kind mit Down-Syndrom. Laut Arbeitskreis Down-Syndrom Deutschland gibt keine offizielle Statistik, sodass keine genauen Zahlen angegeben werden können.

Englischer Arzt
Die Bezeichnung „Down Syndrom“ bezieht sich auf den englischen Arzt John Langdon Haydon Down (1828-1896), der im Jahre 1866 nicht nur diese Personen beschrieb, sondern auch die gezielte Förderung dieser Menschen anregte. Heute spricht man vom Down-Syndrom, sowohl in der wissenschaftlichen Literatur als auch in der Umgangssprache.