Während der Pandemie hat sich bei vielen Kindern und Jugendlichen was angestaut. Der Krieg in der Ukraine und Zukunftsängste kommen hinzu. Die Schulpsychologin Julia Wiedmann hilft Schülerinnen und Schülern, diesen Stress zu bewältigen.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Die Zahlen sind erschreckend: Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2021 zu den Folgen der Coronakrise auf Jugendliche ergab, dass 68 Prozent der jungen Menschen Zukunftsängste haben. 65 Prozent der Befragten haben den Eindruck, dass die Sorgen junger Menschen eher nicht oder gar nicht gehört werden. Und 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler fühlen sich einsam. Bricht man diese Werte herunter auf die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Leinfelden-Echterdingen, so haben statistisch gesehen 2417 Mädchen und Jungen Zukunftsängste, 2311 fühlen sich nicht ausreichend gehört und 2133 sind einsam. „In den Lockdowns und während der Quarantänezeiten hat sich viel Energie angestaut, die nicht gut war. Die Kinder haben darunter gelitten“, sagt Eberhard Haußmann, der Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands (KDV) Esslingen.

 

Für die Stadt Leinfelden-Echterdingen und den KDV war das der Ausgangspunkt für ein neues, gemeinsames Projekt. Der Name: #stabil – Läuft bei dir. Das Ziel: Schnell etwas für die jungen Leute tun, ihnen Hilfe anbieten, sozusagen als Corona-Nachsorge. Die Schulpsychologin Julia Wiedmann personifiziert diese Unterstützung. Seit Mai hat sie eine 100-Prozent-Stelle, die bei der Psychologischen Beratungsstelle Filder des KDV angesiedelt ist. Der Gemeinderat hat dafür das Geld bereitgestellt – zunächst für eine Projektlaufzeit von zwei Jahren. „Ursprünglich hatten wir die finanziellen Mittel für eine halbe Stelle beantragt. Der Gemeinderat hat dann aber einstimmig entschieden, eine ganze Stelle zu schaffen. Darüber sind wir sehr froh“, sagt der Schulbürgermeister Carl-Gustav Kalbfell.

Workshops ermöglichen ein Kennenlernen

Julia Wiedmann ist regelmäßig an allen zehn Schulen in der Stadt. Dort bietet sie für alle Klassen Workshops zu unterschiedlichen Themen an wie zum Beispiel Stressbewältigung, Medienkonsum oder Umgang mit Ängsten. Auf diese Weise bekommt sie Kontakt zu sämtlichen Schülerinnen und Schülern, kann Tipps geben und Vertrauen aufbauen. Wer dann darüber hinaus noch etwas auf dem Herzen hat, reden möchte, ein offenes Ohr braucht, ist bei Julia Wiedmanns Sprechstunden willkommen. Diese bietet sie an allen Schulen und zusätzlich mittwochs in der Psychologischen Beratungsstelle an der Gartenstraße 2 in Echterdingen an. Auch für die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Eltern ist Julia Wiedmann Ansprechpartnerin.

„Das ist kein spezielles Programm für herausragende Fälle. Es ist eine zusätzliche Möglichkeit für Familien, Probleme anzugehen, die während der Pandemie entstanden sind. Das betrifft sehr viele Schülerinnen und Schüler“, sagt Gudrun Brost von der pädagogischen Fachberatung Schulkind. Sie betont auch die gute Kooperation mit den Schulen, der Schulsozialarbeit und der Schulkindbetreuung.

Positive Rückmeldungen

Das Projekt kommt gut an. Vor allem die Schülerinnen und Schüler schätzen das Angebot, auch wenn insbesondere die Jüngeren dies manchmal noch nicht artikulieren können. „Aber die Kinder fragen nach Frau Wiedmann. Oder sie sagen ihr, wie schön es ist, dass sie jetzt regelmäßig an ihre Schulen kommt“, sagt Christiane Berner, die Leitern der Psychologischen Beratungsstelle Filder. Gerade an den Grundschulen sei Julia Wiedmann auch in den Pausen präsent, weil die Hürde, in eine Sprechstunde zu gehen, für die Kinder noch zu hoch ist.

Und wovon erzählen die Mädchen und Jungen dann? „Die Ängste sind breit gefächert“, antwortet die Schulpsychologin. Das reiche von Corona über diffuse Albträume bis hin zu konkreten Sorgen, weil die Eltern sich trennen. Und auch der Krieg spiele immer wieder eine Rolle, die Frage, ob diese Welt noch sicher ist und eine Zukunft bietet. „Es ist wichtig, den Kindern und Jugendlichen einen Raum für Gespräche und Gefühle zu bieten, einen Seelenraum.

Das ist unsere Aufgabe als Fachleute und als Erwachsene“, sagt Christiane Berner. „Und die Kinder öffnen sich“, ergänzt Julia Wiedmann. „Sie sind froh, auch mal gefragt zu werden.“ In den Workshops und Beratungsgesprächen vermittele sie Strategien, um mit Problemen umzugehen. Darüber hinaus gehe es auch um Entspannungsübungen. Das komme selbst bei Jugendlichen in der Pubertät gut an.

Schulpsychologische Beratung

Aufgaben
Die Mitarbeitenden der Schulpsychologischen Beratungsstelle helfen Kindern und Eltern, zum Beispiel, wenn es Probleme beim Lernen und der Konzentrationsfähigkeit gibt, bei Prüfungsangst oder auch Mobbing. Darüber hinaus stehen die Fachleuten auch Lehrerinnen und Lehrern beratend zur Seite und beraten im Umgang mit einzelnen Schülern, bei Problemen in der Klassengemeinschaft oder auch Konflikten im Kollegium.

Prinzip
Die Mitarbeitenden der Schulpsychologischen Beratungsstelle sind weder einseitig der Schule verpflichtet noch vertreten sie einseitig die Interessen der Schülerinnen und Schüler oder der Erziehungsberechtigten. Dieses Prinzip der Allparteilichkeit gewährleistet die notwendige Offenheit für Veränderungen und Problemlösungen. Die Beratung ist kostenlos, freiwillig, vertraulich und ergebnisoffen.