„Arbeit im Quartier“ sucht Chancen für Menschen, die schon länger ohne Arbeit sind. Ziel ist es, die Teilnehmer möglichst am ersten Arbeitsmarkt unterzubringen, wozu auch die Vermittlung von Ausbildung und Praktika gehören kann.

Mühlhausen -

 

Das Leuchtturm-Projekt der Sozialen Stadt in Neugereut, der Ausbau des Kinder- und Jugendhauses in ein Bürgerhaus für alle Generationen, wird am Ende dieses Jahres weit fortgeschritten sein. Ein Licht am Ende eines langen Tunnels sucht daneben als Partnerprogramm der Sozialen Stadt ein Projekt für Menschen, die bereits mehrere Jahre arbeitslos sind: das Bundesprogramm „Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier“ (BIWAQ). Dieses bis Ende 2018 terminierte Programm wurde nun in der Sitzung des Bezirksbeirates vorgestellt.

Das Programm ist für Arbeitsuchende gedacht, „die in der Regel mehr als vier Jahre arbeitslos und über 26 Jahre alt sind“, erklärte Christine Rothwein von der beauftragten Gesellschaft für Jugendsozialarbeit und Bildungsförderung (GJB), die mit einem Vierer-Team für das Programm zuständig ist. Dass es sich dabei nicht um eine Alibi-Aktion am Rande des Städtebauförderungsprogammes handelt, wird auch durch die räumliche Platzierung des Teams deutlich gemacht, das direkt am Marktplatz Räumlichkeiten bezogen hat: „An uns kann keiner vorbeilaufen“, meinte Rothwein dazu. Das Team arbeite „in enger Kooperation mit dem Job-Center, und da haben wir eigentlich gute Karten“, betonte Rothwein, schon mehrere Personen seien über das Job-Center auf die Initiative aufmerksam geworden. Die Teilnahme aber ist freiwillig – und der Ansatz unterscheidet sich auch von dem des Job-Centers.

Beratung steht im Mittelpunkt

Beratung steht zwar auch bei BIWAQ im Mittelpunkt, zielt allerdings zunächst auf das soziale Feld der Betroffenen: „Es geht darum, alle Probleme des sozialpädagogischen Bereiches anzugehen. Dafür nehmen wir die gesamte Lebenssituation der Teilnehmer in den Blick. Es geht um eine individuelle, ganzheitliche Unterstützung“, erläuterte Rothwein. Dazu gehört etwa das familiäre Umfeld, eventuelle gesundheitliche, auch psychische Belastungen oder Schulden. Aber auch die Wohnsituation, die sich oft als „unglaublich schwierig“ darstelle. Der erste Schritt sei, über „einen festen Ansprechpartner Vertrauen entstehen zu lassen.

Ein halbes Jahr nach dem Start des Programmes nehmen bereits 46 Personen daran teil. 60 Prozent sind Frauen, über die Hälfte der Teilnehmer ist zwischen 40 und 50 Jahre alt. Auffällig ist übrigens: „Oft ist auch der Partner arbeitssuchend. Es gibt komplette Familien, in denen niemand Arbeit hat. Darunter auch viele kinderreiche Familien, die unsere Unterstützung benötigen.“

Frauen sind besser zu erreichen als Männer

Ein Spezialthema: „Wie können wir Männer erreichen? Frauen sind kommunikativer. Alleinstehende Männer leben oft sehr zurückgezogen. Wir wollen das fantasievoll angehen“, erklärte Rothwein. Zielvorgabe ist übrigens, im Laufe des Projektes wenigstens 180 Teilnehmer zu gewinnen. 51 Prozent davon sollten laut Projektvorgabe aus Neugereut kommen, der andere Teil aus den vier anderen Stadtteilen des Bezirks. Im Einzelfall können aber auch Menschen aus Bad Cannstatt hinzustoßen.

Ziel ist es, die Teilnehmer möglichst am ersten Arbeitsmarkt unterzubringen, wozu auch die Vermittlung von Ausbildung und Praktika gehören kann. Zwei Teilnehmer haben infolge der Maßnahme bereits eine Arbeitsstelle gefunden. Die Hauptbeschäftigung des Teams bestehe aber aktuell darin, „die Menschen in vielfältiger Weise zu unterstützen und zu beraten“ erläuterte Rothwein. Dazu gehöre auch, Leistungen wie Wohn-, Kinder- oder Elterngeld in Anspruch zu nehmen oder die Bonuscard der Stadt zu beantragen: „Es zeigt sich, dass sich dabei viele überfordert fühlen und deshalb gar keine Anträge stellen.“

Ein wichtiger Bereich ist auch die Vermittlung von Sprachkursen. Oder der Beistand beim Kampf um die Anerkennung von Berufsabschlüssen, die im Ausland erworben wurden, zumal drei Viertel der Teilnehmer einen Migrationshintergrund haben. So geht es auch darum, neue fachliche Qualifikationen zu erwerben. Rothweins Erfahrung: „Wenn man den Leuten einen Boden bietet, dann sind sie aktivierbar und sehr begeisterungsfähig.“

Zusammenfassend lobte der Bezirksvorsteher Ralf Bohlmann das Projekt: „Das wird sehr engagiert angegangen. Durch die Verknüpfung mit der Sozialen Stadt entstehen viele Synergie-Effekte.“ Die 538 000 Euro, die das Projekt insgesamt kosten wird, kommen übrigens aus dem europäischen Sozialfonds.