Der Gemeinderat will 495 000 Euro ausgeben, damit bei Kulturveranstaltungen und in Clubs Sender verteilt werden, die die Abstände messen. Aber wollen das auch die Veranstalter?

Stuttgart - Die Landeshauptstadt will ein Projekt der Universität des Saarlandes einkaufen, das gegen die Ausbreitung des Coronavirus helfen soll: Bei Kulturveranstaltungen sollen kleine Tracker verteilt werden, die Abstände messen und damit bei einem Coronafall die Nachverfolgung gewährleisten und die Gesundheitsämter entlasten sollen.

 

Der Schwerpunkt wird auf Popkultur und Jugendveranstaltungen liegen. Denn der relative Inzidenzwert, erläuterte Professor Thorsten Lehr, liege seit Januar 2021 in der Gruppe der 15- bis 35-Jährigen über dem Durchschnitt und steige an. Das sei nachvollziehbar, denn viele Menschen aus dieser Gruppe seien bisher nicht geimpft. Kern des Projekts ist das Distanztracking in Innenräumen. Dabei wird eine Art Schlüsselanhänger in Scheckkartengröße an Besucher verteilt. Kommen die sich zum Beispiel bei einem Konzert zu nahe, können später bei einer Infektion Kontaktpersonen ermittelt werden. Bei zu enger Annäherung warnt das System den Träger, indem es vibriert. Es kann angeblich Abstände bis auf zehn Zentimeter erkennen, die Daten werden anonymisiert.

Interesse wird abgefragt

Alle Fraktionen des Gemeinderats begrüßten, mit mehr oder weniger grundsätzlicher Kritik an der Funktionssicherheit elektronischer Systeme und der Nachverfolgung und Speicherung von Daten, den geplanten Einsatz des Systems. Es wird die Stadt 495 000 Euro kosten, was Jasmin Meergans von den SPD kritisierte: „Die Erkenntnisse aus der Technik müssten bundesweit interessieren“, sagte sie, es gebe aber keinen Zuschuss dafür. Die Frage sei auch, so Grünen-Chef Andreas Winter, „was passiert, wenn keiner das System will“, sich also kein Club oder Veranstalter finde? Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann beruhigte: Erst nach einem Interessenbekundungsverfahren und positiven Rückmeldungen werde die Stadt einen Vertrag abschließen.

Stefan Ehehalt, Leiter des städtischen Gesundheitsamts, warb für den Versuch: „Vier Meter Abstand kann man sich im Club nicht vorstellen, es geht um Konzepte, wie man Risiken minimieren kann. Wir müssen Risiken kalkulierbar machen.“ Er sei fasziniert von dem Konzept. Zuvor würden aber alle Datenschutzfragen geklärt, und man warte das Plazet der Ethikkommission ab. Man werde in der Kulturszene für das Projekt werben, sagte der zuständige Bürgermeister Fabian Mayer.