Vielen Ortszentren im Land fehlt es an Aufenthaltsqualität. Das Auto hat den Vorrang. Bei einer Möbelausstellung der besonderen Art haben sich Bürgermeister jetzt Anregungen für eine Umgestaltung holen können.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Der Bürgermeister Wolfgang Jautz (parteilos) aus Warthausen steht bewundernd vor Modell „Grüne Liegeoase“. Es ist ein rundes Sitzelement mit hölzerner Sitzfläche. Doch wer sich nach hinten fallen lässt, liegt auf Rasen. Besonders an heißen Sommertagen könnte eine solche grün bewachsene Lehne Kühlung verschaffen, sagt David Neumann, Vertriebsleiter der Herstellerfirma City Decks. „Das ist wie im Freibad.“ Doch dann wird Jautz von seiner eigenen Hauptamtsleiterin jäh aus allen Sommerträumen gerissen. „Das könnten wir ja in unserem Kreisverkehr aufstellen“, lästert sie.

 

13 000 Fahrzeuge, darunter 1000 Lastwagen, sind die traurige Realität auf der Ortsdurchfahrt der 5000-Einwohner-Gemeinde im engen Rißtal zwischen Biberach und Ehingen. Dank einer geplanten Umgehungsstraße könnte sich das aber ändern. Und dann möchte Jautz vorbereitet sein. Deshalb schaut er sich an diesem Tag bei der Möbelausstellung des Landesverkehrsministeriums um. Schließlich soll nicht nur der Verkehr raus aus dem Ort. Es soll anschließend auch etwas Neues entstehen: eine lebendige Ortsmitte. Das Ministerium hat dazu jetzt das passende Stadtmobiliar – zum Ausleihen und Probesitzen.

Der Bürgermeister findet es „geil“

Als erstes hat Bad Wimpfen zugeschlagen. Die kleine Stadt im Landkreis Heilbronn hat in ihrer Altstadt schon eine Fußgängerzone. Doch die ist kurz. „Ich hätte sie gerne ein bisschen länger“, sagt Bürgermeister Andreas Zaffran (CDU). Auch sein Gemeinderat ist entschlossen. Mit den Straßenmöbeln aus dem Katalog des Ministeriums kann Zaffran zeigen, wie eine Erweiterung aussehen könnte. Sie werden kostenlos angeliefert, bleiben zwei Monate, werden dann wieder abgebaut und in die nächste Ortsmitte verfrachtet. Fünf Gemeinden können gleichzeitig ausstaffiert werden. „Es ist erst einmal ein Versuch und wir können sehen, ob es funktioniert“, sagt Zaffran.

Natürlich hat er die grüne Liegeoase ausgewählt, ein „geiles Teil“, wie der junge Bürgermeister sagt. Damit die Rasenlehne grün bleibt, wird sogar bewässert; die Pumpe läuft mit einem eingebauten Fotovoltaikpanel. Nichts muss extra verankert werden, alles ist schwer und robust, dass niemand es einfach zerstören oder wegtragen kann. Ausgeliefert werden bis zu 14 verschiedene Möbelstücke – Gesamtwert im hohen fünfstelligen Bereich – darunter Baumkübel, Infostele, modulare Sitzgarnituren mit Kräuterbeeten und eine spezielle Bankkonstruktion, die locker die Größe eines SUV erreicht.

Wie viel gibt der Autoverkehr ab?

Ganz offensiv trägt sie den Namen „Ausgeparkt“. Denn das ist ja oft der entscheidende Punkt bei der Ortsmittengestaltung: Wie viel Platz lässt sich dem fahrenden und mehr noch dem ruhenden Verkehr abtrotzen? Auch in Bad Wimpfen stellt sich diese Frage. 14 Parkplätze würden wegfallen. „Das betrifft nicht nur Kunden, sondern vor allem Anwohner“, räumt Zaffran ein.

Es brauche immer auch ein bisschen Mut bei den lokalen Akteuren, hat die Verkehrsstaatssekretärin Elke Zimmer (Grüne) festgestellt. Mit dem neuen Angebot der leihbaren Straßenmöbel sollen die Städte und Gemeinden einen Blick in die Zukunft werfen können. Auch von einem Planungsbüro erstellte Visualisierungen, die zeigen, wie ein Zentrum nach einer Umgestaltung aussehen könnte, gehören zum Projekt des Ministeriums. Es gehe darum, für Verantwortliche und Bürger erlebbar zu machen, wie eine menschenfreundliche Ortsmitte aussehen könnte. „In italienischen Urlaubsorten lieben wir es, auf belebten Plätzen einen Kaffee zu trinken. Aber bei uns daheim geht das oft nicht“, sagt Zimmer. Viele Ortsdurchfahrten folgten immer noch der Ideologie der autogerechten Stadt.

Hemmingen will gleich etwas Richtiges

Auch der Hemminger Bürgermeister Thomas Schäfer (CDU) hat sich unter die Interessenten gereiht. Schon länger möchte er einen kleinen Fußgängerbereich im Ort schaffen. Allerdings bevorzuge er fest verankerte Straßenmöbel. „Wir wollen gleich etwas Richtiges“, sagt er. Allerdings gibt es da noch Probleme. „Die Straßenverkehrsbehörde sagt, bei uns sei es für eine Verkehrsberuhigung zu steil.“ Nicht immer sind skeptische Bürger die Spielverderber.