Freiburg, München und Esslingen sind bereits mit einem Pfandsystem gestartet. In Stuttgart wird derzeit noch bei einem Runden Tisch diskutiert, wie man die Pappbecherflut eindämmen kann. Viele Cafés wie Herbertz und Moulu haben bereits einen Mehrwegbecher, im Fluxus hat man diesen Monat nachgezogen.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Unzählige Musterbecher aus verschiedenen Materialien und Deckel hat sich Fluxus-Manager Hannes Steim in den letzten Monaten angeschaut. Seit knapp zwei Wochen hat die temporäre Einkaufspassage Fluxus einen eigenen Mehrwegbecher. Der Kunststoffbehälter ist weiß, wird von einem deutschen Familienunternehmen produziert und trägt den Fluxus-Schriftzug. Vor allem hat er einen auslaufsicheren und spülmaschinentauglichen Deckel. „An dem Deckel nuckelt ja jeder irgendwie rum. Das muss hygienisch sein.“

 

Neben den vier Fluxus-Gastronomien Holzapfel, Tatti, Cape Collins und Lala haben auch das Con Safos und Kiosko den Becher im Angebot. „Wegen mir hätten es noch mehr sein können, aber viele wollten keinen Fluxusbecher.“ Der Becher kostet fünf Euro Pfand. Wer ihn benutzt, bekommt in allen beteiligten Gastronomien 20 Cent Rabatt auf Getränke to go.

Der Porzellanbecher kostet zwölf Euro

Einen eigenen Mehrwegbecher haben auch Kim Friesen vom Café Herbertz und Erdal Cakir vom Moulu seit knapp zwei Monaten. Ihrer ist aus Porzellan. „Für mich gehört Kaffee einfach in Porzellan“, sagt Friesen. Die beiden Cafébetreiber wollen zur Müllvermeidung beitragen, aber auch wieder eine richtige Kaffeekultur anregen.

Ihr Becher kostet einmalig zwölf Euro. Beim nächsten Mal bringen die Gäste ihn wieder mit, bekommen ihr Heißgetränk in einem frischen Becher und erhalten ebenfalls 20 Cent Rabatt. Kim Friesen hat das Modell initiiert, weil allein das Herbertz monatlich 2000 Pappbecher verbraucht hat. Und nicht eingerechnet sind bei dem Müll ja die Strohhalme und die Plastikdeckel, die natürlich auch im Mülleimer landen.

Die Gastronomen an der Calwer Passage haben seit kurzem den „Fluxus-Becher“

Welcher Becher und welches System letztlich nun richtig sind, ist eine Wissenschaft für sich.

Die Fluxus-Becher sollen nun ein Testlauf sein, um herauszufinden, ob das Bechermodell auch zu einem „Stuttgart-Becher“ taugen kann. Nachdem andere Städte bereits unterschiedliche Systeme anwenden, sucht auch Stuttgart nach einer Lösung, um die Einwegbecherflut zu reduzieren. Dazu gab es im letzten Monat auf Initiative der Wirtschaftsförderung einen Runden Tisch mit zahlreichen Beteiligten: Neben der Stadtverwaltung nahmen die Bäckerinnung, Verkehrsbetriebe, der Dehoga, Logistikunternehmen und einige Gastronomen, darunter die Cafébetreiber aus dem Fluxus, teil. „Ein To-go-Becher ist nur 15 Minuten im Gebrauch. Das steht in keinem Verhältnis zum Energieverbrauch“, sagt Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Vor allem stelle die Becherflut Städte vor große Herausforderungen. Die Abfallberge wachsen.

Bundesweit für Aufsehen sorgte deshalb im vergangenen Herbst der „Freiburg-Cup“. Vertreter der Abfallreinigung Freiburg stellten das Konzept den Stuttgartern vor. Seit November 2016 gibt es dort auf Coffee-to-go-Becher Pfand. Rund 15 Gastronomen in der Innenstadt haben sich gleich zu Beginn an dem Projekt beteiligt. Die Becher sind spülmaschinenfest, etwa 25 000 Becher sind laut „Badischer Zeitung“ inzwischen ausgeliefert worden. Laut der Zeitung gibt es aber einen Haken an dem System: Die Becher kommen zwar sehr gut an, aber niemand bringt sie zurück.

Hannes Steim, der als Vertreter der Fluxus-Geschäfte am Runden Tisch der Stadt teilnahm, kritisiert, dass das Pfand in Höhe von einem Euro zu billig sei. „Die Leute werfen die Becher dann weg oder lassen sie daheim.“ Auch hätten die Becher keine Deckel, weshalb man doch wieder auf die Plastikvariante zurückgreifen müsse und die Kunden selbst spülen müssten. Das Freiburger Modell, sagt Steim, sei aber eben relativ „schnell und einfach aufzuziehen“. Professor Bernd Rall von der dualen Hochschule, spezialisiert unter anderem auf Recycling und Pfandsysteme, hat mit Studenten ein eigenes System entwickelt und den Teilnehmern des Runden Tisches präsentiert. Bei diesem werden die Becher bei beteiligten Einrichtungen wieder abgeholt, um sie an einem Ort zentral zu spülen. „Das ist dann quasi wie beim Pfandsystem bei Flaschen“, sagt Steim. Kunden haben so auch mehrere Möglichkeiten, die Becher wieder abzugeben.

Zehn Prozent weniger Pappbecher

Auf Interesse stoßen die Becher in jedem Fall. Das Café Herbertz konnte laut Kim Friesen nach einem Monat den Pappbecherverbrauch um zehn Prozent reduzieren. Auch im Fluxus kommt der Pfandbecher gut an, sagt Nina Holzapfel. „Die Leute bringen auch immer mehr ihre eigenen Becher mit“, ergänzt die Chefin des Café Holzapfel. Das finde sie eine schöne Entwicklung.

Viele Städte haben angefangen, sich Konzepte zu überlegen. Nach Tübingen und Freiburg hat auch München seit zwei Wochen ein Pfandsystem für Kaffeebecher. Dort organisiert das Start-up-Unternehmen Recup das System mit den Pfandbechern. Das Prinzip: Man kann die Tassen in einem Café mitnehmen und in einem anderen wieder abgeben. Die meisten Stationen befinden sich aber bislang nur in zwei Stadtteilen.

Hannes Steim versteht grundsätzlich nicht, warum Leute ihr Getränk nicht einfach beim Bäcker oder im Café trinken. Heute nehme jeder sein Getränk und schütte es unterwegs rein. „Vor 20 Jahren, zu meiner Schulzeit, hatten wir das Phänomen nicht“, sagt der 38-Jährige. Auch Nina Holzapfel wundert sich manchmal, warum Menschen sogar für einen Espresso einen To-go-Becher wollen: „Eine Minute Zeit hat doch jeder.“

Ein Rückgang der To-go-Kultur ist bisher eher nicht erkennbar. Steim hält es deshalb für die beste Variante, wenn Mehrwegbecher einfach „cool“ werden. Einen Bewusstseinswandel fände er schön: „Dann habe ich meinen eigenen Becher, den spüle ich, und da trinke nur ich draus.“ An den Wandel glaubt Steim aber selbst nicht so recht.