Abseits des roten Teppichs lauern Fettnäpfchen, manchmal sogar Abgründe. Wir spüren sie auf. Heute: wie der Comedian Oliver Pocher zum Moralapostel wurde.

Berlin - Komischerweise sind gerade diejenigen, die öffentlich alles ins Lächerliche ziehen, im wahren Leben oft gar nicht so lässig. Gerade ist der Comedian Michael Mittermeier wegen der Internetkommentare seines Kollegen Mario Barth in die Luft gegangen und schon kommt der nächste grollende Spaßmacher um die Ecke. Oliver Pocher, Fachmann für Zynismus und Provokation, packt die Oberlehrer-Keule aus. Mit einem dissenden Kommentar zu einem Foto der Instagram-Star-Zwillinge Lisa und Lena aus Stuttgart – sie haben knapp vier Millionen Fans bei der Online-Foto-Plattform – handelt er sich netzweites Augenrollen ein.

 

Plötzlich Moralapostel

Auf dem Bild stehen die 14-Jährigen mit Sonnenbrillen und in übertrieben cooler Pose an den Stelen des Holocaust-Mahnmals in Berlin. Zugegeben, das sieht schon sehr danach aus, also ob es den Mädels mehr um ihre Ich-Inszenierung ging als um das Gedenken. Oliver Pocher schreibt dazu: „Hey Lisa und Lena, warum man sich nicht ganz cool im Holocaust Mahnmal in Berlin für Instagram fotografieren sollte, kann Euch bestimmt mal Eure Geschichtslehrerin erklären.“ Schon erstaunlich, wie sich jemand, der sonst auch nicht viel Besseres zu tun hat als sich selbst zu inszenieren und dabei gerne die Grenzen des guten Geschmacks übertritt, sich plötzlich als Moralapostel aufführt. Der Architekt des Holocaust-Denkmals, Peter Eisenmann, hat einmal über sein Werk gesagt: „Wenn man morgen die Steine umwerfen möchte, mal ehrlich, dann ist es in Ordnung. Menschen werden im dem Feld picknicken. Kinder werden in dem Feld Fangen spielen. Es wird Mannequins geben, die hier posieren, und es werden hier Filme gedreht werden (...). Es ist kein heiliger Ort.“ Aber offenbar ist Pocher ein Heiliger geworden.