Erst feiern, dann feuern: Wozu gibt es heute noch ein Prominentenschießen beim Freiberger Göckelesfest? Ganz einfach – es war schon (fast) immer so.

Freiberg - Montagvormittag, Festplatz im Freiberger Wiesental. Die Gewitter in der Nacht haben ihre Spuren hinterlassen. Auf der Wiese hat sich ein großes Matschloch gebildet. In gebührendem Abstand gruppieren sich rund 20 mehr oder weniger prominente Menschen. Zum wahrscheinlich 56. Prominentenschießen beim Göckelesfest – so ganz genau weiß das selbst der Freiberger Bürgermeister Dirk Schaible nicht – sind vor allem Rathauschefs gekommen. Praktisch alles, was Rang und Namen und im Moment keinen Sommerurlaub hat. Der Landrat Rainer Haas und (wenn wir uns nicht verzählt haben) 13 Bürgermeister sind gekommen, um – Kimme, Korn und ran! – ihr Glück an der Zielscheibe zu versuchen. Dazu gesellen sich andere, die nicht zur Kategorie Bürgermeister-(BM)-Promis gehören: Isabel Kurz, Pressesprecherin der Kreissparkasse Ludwigsburg, zudem Vertreter der Polizei und diverser Vereine. Und zwei Menschen, die wiedergewählt werden wollen: Eberhard Gienger, Ex-Turnweltmeister und CDU-Abgeordneter im Bundestag, und Thomas Reusch-Frey, der für die SPD im Landtag sitzt.

 

Der Alleinunterhalter unterhält sich selbst

Vor dem Festzelt bilden sich Small-Talk-Grüppchen, drinnen hat der Alleinunterhalter damit begonnen, sich praktisch alleine mit seiner Musik zu unterhalten: viel Akkordeon-Imitat aus dem Keyboard, viel „La la la“. „Jetzt kann’s gleich losgehen mit Tanzen“, sagt er, als ein Gast sich auf einer der vielen leeren Bierbänke im Zelt niederlässt. Und warum ausgerechnet ein Wettschießen in Zeiten, in denen die Öffentlichkeit zusehends kritisch über Schusswaffengebrauch denkt? Der Gastgeber Dirk Schaible zuckt mit den Schultern. „Weil es schon immer so war – so ist das halt mit Traditionen“, sagt er und lacht verlegen.

Schaible erinnert an die glanzvollen Zeiten, in denen das Göckelesfest noch einen Ruf als große Volksfest-Nummer hatte. Damals, als der Legende nach der Ministerpräsident Lothar Späth per Helikopter zum Schießen anreiste. Genug geträumt! Es geht los, in Dreiergrüppchen wird geschossen. Schnell kristallisiert sich eine kleine Typologie der Prominentenschützen heraus. Da wären zunächst die Neulinge wie Martin Bernhard (Tamm), Markus Kleemann (Oberstenfeld) oder Dirk Schönberger (Remseck), die sich vorsichtig an das Traditions-Event herantasten. Er habe nachgefragt, was das denn für ein Termin sei, sagt Schönberger. „Meine Sekretärin hat mir gesagt: das ist absolute Pflicht!“ Die zweite Gruppe besteht aus denjenigen, die das Wettschießen eher wenig ambitioniert über sich ergehen lassen – so wie Isabel Kurz von der KSK, Joachim Wolf aus Korntal-Münchingen oder Albrecht Dautel (Walheim). Dieser Kategorie scheint der Plausch vorher und nachher wichtiger zu sein als das Schießen selbst. Und dann gibt es noch die Ehrgeizigen, die sich schon vor dem Gang zum Schießstand verbal anstacheln, klar zu erkennen auch an der gestreckten Körperhaltung wie etwa bei Ralf Zimmermann (Großbottwar) oder auch Klaus Warthon aus Benningen, dem private Schützenambitionen nachgesagt werden.

Ein „Bürgermeister-Sprengel light“

Am Rande lassen einige Teilnehmer die wahren Hintergründe ihrer Teilnahme anklingen. „Das ist einfach ein netter Termin, bei dem man ungezwungen mit Kollegen ins Gespräch kommen kann“, sagt etwa Kornwestheims Finanzbürgermeister Dietmar Allgaier. Prominentenschießen, Prominententurnen, Prominentenhocketse? Egal! Hauptsache hinterher beim Göckele quatschen. Der informelle Austausch unter den Rathaus-Stallwächtern scheint die wahre Triebfeder der – nun ja – Traditionsveranstaltung zu sein.

Ach ja: gewonnen wird an diesem Montagvormittag natürlich auch noch. Klaus Warthon muss im Stechen um Platz drei eine bittere Niederlage gegen den Vorjahressieger Dirk Schaible („Das war pures Glück“) einstecken. Platz zwei belegt der Großbottwarer Rathauschef Ralf Zimmermann (26 Punkte). Und der Gewinner ist ausgerechnet ein bekennender Pazifist und Nicht-Kriegsdienstleistender: Martin Bernhard, Rathauschef in Tamm, nimmt etwas verlegen seine Preise entgegen: ein Fässchen Bier, einen großen Bierkrug und Eintrittskarten für ein Motor-Cross-Event in der Stuttgarter Schleyerhalle. 27 von maximal 30 möglichen Punkte hat er erzielt. Er sei so überrascht wie alle anderen, bekennt Bernhard: „Ich schieße eigentlich gar nie.“