Der Kreml startet eine internationale Propagandaoffensive. Dazu gehört auch ein Internetportal auf Deutsch, das mit absurden Thesen einen Gegenpol zu einer angeblichen „aggressiven Propaganda“ des Westens bilden soll.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Die Propagandaschlacht im eigenen Land hat Wladimir Putin gewonnen. Abweichende Meinungen sind in den russischen Medien kaum mehr zu hören. Und wer es dennoch wagt, den Präsidenten zu kritisieren, muss damit rechnen, dass ihm die nötigen Lizenzen zum Publizieren entzogen werden. Nun bereitet der Kreml eine globale Medienoffensive vor. Mit dem Projekt „Sputnik“ soll die russische Sicht auf das Geschehen in der ganzen Welt verbreitet werden.

 

Mit einem Onlineportal, Nachrichtenagenturen, Fernseh- und Radiosendern werde das Kreml-finanzierte Medienimperium „Rossija Segodnja“ („Russland heute“) in Dutzenden Ländern aktiv sein, sagte der Generaldirektor Dmitri Kisseljow jüngst bei der Präsentation in Moskau. Die Berichterstattung werde einen Gegenpol zur „aggressiven Propaganda“ des Westens bilden. Ziel ist es, bis 2015 in 34 Ländern und 130 Städten mit rund 800 Stunden Programm pro Tag präsent zu sein. Zunächst wird „Sputnik“ in Englisch, Spanisch und Arabisch ausgestrahlt, insgesamt sind 30 Sprachen geplant.

Beiträge dubioser Experten

In Deutschland muss das Publikum allerdings nicht auf den Sendestart von „Sputniknews“ warten, um sich aus Kremlperspektive über das Weltgeschehen zu informieren. Seit einigen Tagen ist der Internetkanal „rtdeutsch.com“ freigeschaltet. Der Auftrag der Journalisten ist auf der Homepage klar definiert: „Unser Ziel ist es, eine Gegenöffentlichkeit herzustellen sowie Medienmanipulationen aufzuzeigen. In diesem Sinne werden wir Stimmen zu Wort kommen lassen, die eine alternative, unkonventionelle Sichtweise präsentieren. ( . . . ) Also genau jenen Part, der sonst verschwiegen oder weggeschnitten wird.“

So werden bei „RT deutsch“ von einer aufgekratzten Moderatorin Beiträge angekündigt, in denen dubiose Experten präsentiert werden. Das Video-Format heißt vielversprechend „Der fehlende Part“, und bereits am Starttag wurde deutlich, wie der Titel zu verstehen ist.

Zu Wort kam der ehemalige FAZ-Journalist Udo Ulfkotte. Der hat in seinem Buch „Gekaufte Journalisten“ erfolgreich viel Altbekanntes, absurde Verschwörungstheorien und sehr wenige Beweise zusammengerührt. Bei „RT deutsch“ wird er zum Paria der deutschen Presselandschaft stilisiert und kann seinem seltsamen Gedankenfluss freien Lauf lassen. Mit dabei ist auch Ken Jebsen. Dem Mann wurde vor drei Jahren beim Rundfunk Berlin-Brandenburg unter anderem wegen antisemitischer Äußerungen gekündigt. Zu Jebsens Gedankenwelt gehört auch, die US-Regierung könnte die Anschläge vom 11. September inszeniert haben.

Der Rubel rollt für die „Wahrheit“

Der Kreml lässt sich seine Propaganda im Ausland etwas kosten. Das russische Wirtschaftsblatt „RBKdaily“ berichtet, dass „Rossija Segodnja“ für den Ausbau des internationalen Angebots im kommenden Jahr rund 15,4 Milliarden Rubel (263,2 Millionen Euro) bekommt – das sind rund 41 Prozent mehr als bisher. In die geplante Nachrichtenagentur sollen zusätzlich 6,48 Milliarden Rubel fließen. Der Kreml ist überzeugt, dass sich die Investition lohnt. „Man muss die Wahrheit sagen und sie einer maximalen Anzahl Menschen zugänglich machen“, sagt der Präsidialamtschef Sergej Iwanow. Dazu seien moderne Sprache und neue Technologien nötig.

In Moskau wundern sich allerdings viele, dass Putin ausgerechnet Dmitri Kisseljow damit beauftragt hat, im Ausland für die russische Sicht der Dinge zu werben. Der 60-Jährige ist für seine homophoben und antiwestlichen Tiraden bekannt. Überliefert ist sein Vorschlag, die Herzen von homosexuellen Organspendern zu verbrennen. Im Zuge der Zypern-Rettung verglich er die Politik von Kanzlerin Angela Merkel mit der Adolf Hitlers. Bei der Präsentation der medialen Pläne zeigte er sich allerdings als handzahmer Patriot. „Die Wiederherstellung einer gerechten Beziehung zu Russland als wichtigem Land der Welt mit guten Absichten – das ist die Mission“, erklärte der Chefpropagandist.