Ein Polizist in der Probezeit hat vergangenen Herbst im Stuttgarter Leonhardsviertel mehrere Prostituierte zu Gratis-Sex erpresst. Dafür hat ihn das Amtsgericht zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt.

Stuttgart -

 

Die Stimme der Richterin wird lauter: „Sie stehen über allen. Und Prostituierte sind in Ihren Augen unterste Schublade.“ Gerade hat sie einen 24 Jahre alten Polizisten zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt – wegen Bestechlichkeit und Erpressung. Die Kammer ist überzeugt, dass er im vergangenen Herbst im Leonhardsviertel mehrere Dirnen zu kostenlosem Sex nötigen wollte, in einem Fall mit Erfolg.

Nach Überzeugung des Gerichts hat der 24-Jährige im August des vergangenen Jahres unentgeltlichen Geschlechtsverkehr von einer Prostituierten gefordert. Weil sie den Polizisten von einer früheren Anzeige kannte und nun eine neue Strafe fürchtete, willigte sie ein und ließ es geschehen. „Er hat gemerkt, wie praktisch so ein Dienstausweis sein kann“, sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Die zweite Prostituierte ließ den Polizisten hingegen abblitzen, als er mit ihr zum „Teetrinken“ aufs Zimmer gehen wollte und im Gegenzug versprach, ihr die Termine der Kontrollen zu verraten.

Im November 2013 flog die Sache auf

Im November flog der Mann auf

Richtig schief lief es im dritten Fall. Eine Dirne sprach den Polizisten am 13. November 2013 an, ob er mit aufs Zimmer komme. Er ging mit. Dann sagte er ihr, dass er kein Geld habe, zeigte seinen Dienstausweis und forderte kostenlosen Service. Sie lief jedoch auf den Flur und rief um Hilfe. Ein Mitarbeiter des Bordells schlug dem Mann schließlich so heftig mit einem Schlagstock auf den Kopf, dass dieser seine Kollegen zur Hilfe rief. So flog die Sache auf.

Die Rechtsanwältin des 24-Jährigen beantragte in ihrem Plädoyer Freispruch. Zwei der drei Prostituierten seien vor Gericht nicht gehört worden, weil sie im Ausland seien und nicht geladen werden konnten. Die dritte habe sich in Widersprüche verstrickt und sei nicht glaubwürdig.

Das sieht die Richterin anders: In der Kernaussage habe diese Zeugin „gestanden wie eine eins“, sagte sie am Freitag. Die Aussage passe ins Gesamtbild. „Unglaubwürdig“ und „lebensfremd“ sei dagegen die Behauptung des Angeklagten, dass es sich um einen Komplott handele, er von zwei Verwaltern in das Bordell an der Weberstraße gezerrt und dort verprügelt worden sei. Nach Einschätzung mehrerer Polizisten wollen Bordellbetreiber gerade keine Aufmerksamkeit auf ihr Laufhaus ziehen. Sie bemühten sich um eine gute Zusammenarbeit mit den Ermittlern.

Richterin: Strafe liegt an der unteren Grenze

Richterin: Strafe an unterer Grenze

Die von der Staatsanwaltschaft geforderte Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten sei „gerade noch vertretbar, nach unten hin“, sagte die Richterin. Seinen Beruf könne der Polizist, der noch in der Probezeit war, nicht mehr ausüben. Sie hätten noch überlegt, ihn gleich in der Sitzung „abräumen“ zu lassen, ihn also direkt ins Gefängnis zu bringen. Davon sah die Kammer aber ab. Berufung steht dem Angeklagten offen.

„Durch seine Körpersprache, Mimik und sein überhebliches Grinsen“ habe der Polizist eine enorme Arroganz erkennen lassen, stellte die Richterin fest. Auch sein letztes Wort, in dem er seinen Kollegen einseitige Ermittlungen vorgeworfen hat, mache keine Hoffnung auf eine Läuterung. Mit den Dirnen habe er sich gerade die schwächsten Opfer ausgesucht – Frauen, die sich in ihrer Not an niemanden wenden könnten. „Wenn auf die Polizei nicht mehr Verlass ist, in was für einem Staat leben wir dann?“