Die Menschenrechts-Organisation Amnesty International will Prostitution entkriminalisieren. Sie erhofft sich davon mehr Schutz für Prostituierte. Doch es hagelt Kritik, berichtet StZ-Korrespondent Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Das Echo taugt nicht für Reklamezwecke: „Amnesty will Zuhälter schützen“, titelt die Zeitschrift „Emma“. Für sie dokumentiert das neue Positionspapier, das für einen liberaleren Umgang mit käuflichem Sex plädiert, „das unrühmliche Ende einer Menschenrechtsorganisation“. Auf dem Nachrichtenkanal Twitter rangiert das Thema in der Hitliste ganz oben, die Reaktionen bewegen sich zwischen hämisch und entsetzt.

 

„Emma“ verdammt den neuen Kurs

Amnesty-Aktivisten aus der ganzen Welt hatten sich bei einer Konferenz in Dublin am Dienstag dafür ausgesprochen, Prostitution nicht länger zu kriminalisieren – sofern der Sex einvernehmlich zwischen Erwachsenen stattfinde. Die neue Position wird auf sechs Seiten detailliert begründet. Dem Kurswechsel gingen eine mehrjährige Debatte und Recherchen in vielen Ländern voraus. Auch intern sind die neuen Positionen umstritten. Vorab hatten in den Vereinigten Staaten prominente Unterstützerinnen dagegen protestiert, darunter die Schauspielerinnen Meryl Streep, Kate Winslet und Emily Blunt.

Amnesty International hat weltweit 3,2 Millionen Mitglieder, in Deutschland knapp 30 000. Die 1961 gegründete Organisation hat hier im vergangenen Jahr 14 Millionen Euro an Spenden eingenommen.

„Kriminalisierung fördert Diskriminierung“

„Prostituierte sind eine der am meisten vernachlässigten Gruppen in der Welt, die in den meisten Fällen ständig dem Risiko von Diskriminierung, Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind“, sagt Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty. Sie rechtfertigt die neue Politik ihrer Organisation so: „Unsere weltweite Bewegung ebnete den Weg, dass wir eine Politik verfolgen können, die den Schutz der Menschenrechte von Prostituierten fordert.“

Die Kriminalisierung von käuflichem Sex fördere die Diskriminierung der Betroffenen, heißt es in dem umstritten Positionspapier. Wo Prostitution illegal ist, seien Frauen und Männer, die auf solche Weise ihr Geld verdienen, vermehrt gewalttätigen Übegriffen und Misshandlungen ausgesetzt, auch durch die Polizei. Oft würden ihnen grundlegende soziale Rechte verweigert wie der Zugang zur Gesundheitsversorgung. Freier könnten die Prostituierten bedrohen, weil sie auf verbotene Weise Geld verdienten. Deren Abhängigkeit etwa von Zuhältern werde unter solchen Verhältnissen eher begünstigt. Der Kurswechsel in Sachen Prostitution bedeute nicht, dass Amnesty seine kritische Haltung zur Zwangsprostitution aufgebe, heißt es. Diese sei ein Verstoß gegen internationales Recht. Sofern Kinder bei käuflichem Sex eine Rolle spielten, seien sie als Opfer von Ausbeutung zu betrachten, die Unterstützung und Schadensersatz verdienten.