Im Süden Chinas boomt die Prostitution. Zu den Kunden der Frauen gehören auch Parteikader. Dennoch entfalten die Behörden einen hektischen Aktionismus, um das „Übel“ zu bekämpfen.

Korrespondenten: Inna Hartwich

Dongguan. Angefangen hatte es mit einem simplen Fernsehbericht. Eine Reihe Frauen war zu sehen, leichte Mädchen in kurzen Röcken und engen Kleidern. Sie hoben den Saum hoch, ließen auf eine Nummer an ihren Oberschenkeln blicken. Die „3116 aus Hunan“ verlangte 700 Yuan (das sind umgerechnet 85 Euro), die „156 aus Jiangxi“ wollte 800 Yuan und „die 117 aus Sichuan“ 900 Yuan. Preise für ihre Dienste. Für ihre Jobs in einer Industrie, die in China eigentlich verboten ist. Die käufliche Liebe.

 

Es folgten Razzien in Hotels und Karaokebars, es erschienen weitere Berichte über die „Sündenstadt Dongguan“, ganz im Süden des Landes, es kam zu aktionistischen Aufräumkampagnen der Polizei. Seitdem macht sich Empörung breit, über die Ausmaße des Skandals einerseits und die Heuchelei der Regierung andererseits. In einem Bild hat die Aufregung nun ihren Ausdruck gefunden: drei Balken übereinander, in Schwarz, Rot, Gold, den Farben der deutschen Staatsflagge. Im chinesischen Twitter-Verschnitt Weibo gehören Dongguan und Deutschlands Fahne unwiderruflich zusammen. Selbst Pekings liberale Zeitung „Xin Jing Bao“ illustriert die Prostitution in Südchina mit den drei Farben der Deutschen.

Wie das zusammenpasst? Ganz einfach: um die chinesische Zensur zu umgehen, konstruieren Internetnutzer neue Wörter, die – weil Chinesisch oft ähnlich auszusprechende Silben hat – gleich klingen, aber dennoch etwas anderes bedeuten. Der gefallene Parteistar Bo Xilai, der im Gefängnis sitzt, wurde so einst zu einer „Tomate“. Einträge über Bo ließ die Partei sperren. Wer aber wollte sich schon über Gemüse hermachen? Manchmal kommen auch Farben zum Einsatz. Deshalb geriet die deutsche Fahne in den chinesischen Hurenskandal. Schwarz steht für Korruption, Rot für die wiedererwachte Ideologisierung, Gelb ist der im Chinesischen beschönigende Begriff für Prostituierte. „Nahtlos aufeinander abgestimmte Realitäten“, nennt es ein Blogger. Ein anderer sieht in den Farben die „Mentalität der KP: „korrupt, patriotische Lieder singend und die Dienste von Huren in Anspruch nehmend“. Die Mädchen dürften nun bestraft werden. Chinas Regierung aber überhört jeden Ruf nach Legalisierung der Prostitution.