Noch läuft das Sexgewerbe auch in Stuttgart wie eh und je. Aber die Prüfungen der Bordelle läuft, die nach dem neuen Prostituiertenschutzgesetz eine Genehmigung wollen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Lady Pam“ residiert in einem Lustschloss in Silber, Weiß und Grau. Auf dem hohen Bett sind graue Kissen drapiert, Zimmerdecke und Wände sind silbern lackiert. In einem mit Spiegeln besetzten Regal stehen Parfümflakons in großer Zahl, von der Decke hängt ein Lüsterleuchter. Im Nebenraum locken Utensilien für Sadomaso-Spiele, an einer verspiegelten Tür hängen Peitschen. Im weißen Imitat eines offenen Kamins lodert elektrisches Feuer.

 

Die gut gebräunte Frau, die langes graues Haar trägt, hat über ihrem enormen Busen ein großes Rosenornament im Dekolleté tätowiert. „Mit Unterbrechungen mache ich das seit 17 Jahren“, sagt die 35-Jährige, während sie den verspiegelten Fenstersims putzt. Als „Lady Pam“ mietet sie für 200 Euro am Tag die beiden Räume in dem Bordell an der Kernerstraße. „Natürlich mache ich das freiwillig“, sagt sie hörbar empört.

Alarmknopf in Reichweite des Betts

Die Frage kommt von Dominik Kirchhauser vom Amt für öffentliche Ordnung. Er und sein Chef Benno Bartosch, der Sachgebietsleiter Gewerberecht, machen einen Kontrollgang durch das Bordell. Der Betreiber hat einen Antrag auf Genehmigung nach dem neuen Prostituiertenschutzgesetz gestellt. In jedem der 13 Zimmer des vierstöckigen Hauses schauen sie, ob in Reichweite des Betts ein Alarmknopf angebracht ist, der auch ein Notrufsignal auslöst, ob das Zimmer groß genug ist, ob die Frauen einen verschließbaren Spind oder einen Tresor für ihre Wertsachen haben.

In einer Glasvitrine im Treppenhaus steht in großen Lettern: „Hier gilt Kondompflicht“. Doch das reicht nicht. „Sie müssen diesen Hinweis in den Zimmern der Frauen aufhängen“, sagt Benno Bartosch. So sieht es das seit einem Jahr geltende Gesetz vor. „Das kann ich gleich ausdrucken, das habe ich auf dem Laptop“, sagt Walter G., der Betreiber des Bordells, der die Zimmer an die Frauen vermietet. „Wo soll ich es hinhängen – übers Bett?“, fragt der 55-Jährige, der die Gruppe in T-Shirt, kurzer Hose und Flipflops begleitet. „Das wäre ideal“, sagt Dominik Kirchhauser. Er ist jetzt im Zimmer von „Ts Annabelle“, einer von vier Transsexuellen, die hier ihre Körper feilbieten.

Privatzimmer sind künftig Pflicht

In dem ebenfalls in kühlem Silber gehaltenen Zimmer stehen Stilettos herum, überkniehohe schwarze Lackstiefel hängen an der Wand. „In den 140 Euro am Tag fürs Zimmer sind Pflege- und Hygienemittel, Kondome, Wäsche enthalten“, gibt die androgyne Annabelle Auskunft. Die nach dem neuen Gesetz nötige Anmeldebescheinigung der als Mann geborenen, heute 28 Jahre alten Transe wurde im Hochsauerlandkreis ausgestellt. „Die Tür ist immer zu öffnen, sie hat kein Schlüsselloch“, stellt Dominik Kirchhauser fest. Das muss so sein, dass sich auch kein übergriffiger Freier mit der Prostituierten einschließen kann.

Eine andere Vorgabe des neuen Gesetzes erfüllt das Haus von Walter G. aber nicht. Die Frauen nächtigen alle in den Räumen, in denen sie Freier bedienen, künftig aber muss der Arbeits- vom Schlafbereich getrennt sein. „Vielleicht kann ich im Nebenhaus Wohnungen anmieten, wo die Frauen schlafen“, sagt Walter G. Aber das ist alles andere als sicher.

Betreiber fürchten hohe Kosten

Es ist nicht das Einzige, was Benno Bartosch zu beanstanden hat. Zwar gibt es auf jedem Stockwerk eine kleine, wohnlich eingerichtete Küche und auch ein Bad mit Toilette und Dusche, doch die wird von den Frauen und von Freiern genutzt. Auch das ist künftig nicht mehr zulässig. „Für die Freier brauchen Sie eine eigene Dusche“, sagt der Sachgebietsleiter Gewerberecht. Der Betreiber hat schon einen Platz, wo man die einbauen könnte, in einem Abstellbereich im Gang. Nur fragt sich der 55-Jährige: Was kommt als Nächstes? „Muss ich auch noch Parkplätze ablösen? Das geht dann ins Bodenlose, dann lohnt sich das nicht mehr.“ Walter G. findet das nicht in Ordnung. „So sauber, wie es hier ist, das können Sie lange suchen“, sagt er. Man sei kein Laufhaus wie in der City, wo Frauen für 30 Euro zu haben seien. Hier in der Kernerstraße kostet eine halbe Stunde Sex 100 Euro, eine Stunde 150, für Analverkehr kommen noch 50 Euro drauf. Schon diese Preise, sagen alle hier, führe zu einem gewissen Niveau bei der Kundschaft. „Aus unserer Sicht ist das Haus in Ordnung“, bestätigt Katharina Schwegler die Einschätzung. „Hier gibt es keine Probleme“, sagt die 37 Jahre alte Polizeioberkommissarin vom Arbeitsbereich Prostitution, die bei der Kontrolle des Ordnungsamts dabei ist.

Auch der eine oder andere Freier ist an diesem Nachmittag unterwegs und drückt auf eine der Klingeln an der Wohnungstür. „Scarlett“ steht auf einer von diesen. Sie ist 59 Jahre alt und drei bis vier Tage die Woche hier. „Ich mag Männer und Sex“, sagt sie. Sie hat drei erwachsene Kindern und arbeite noch an der Kasse eines Shoppingcenters in der Region. Das neue Prostituiertenschutzgesetz passt ihr gar nicht. „Das macht mir mehr Vorschriften als mein Betreiber“, ärgert sie sich. Zum Beispiel die Kondompflicht. „Warum überlässt man das nicht uns?“ Sie nehme ohnehin nicht jeden, sagt Scarlett. Die Freier seien jedenfalls verunsichert, hat die zierliche Frau mit dem brünetten Haar festgestellt. „Der Zulauf ist leicht zurückgegangen.“

Nächste Hürde: das Baurecht

In ihrem vertrauten Zimmer mit dem nostalgischen Metallbett wird Scarlett ohnehin keine Freier mehr empfangen können. Es liegt mitten in der Wohnung und hat kein Fenster. „Das ist baurechtlich nicht genehmigungsfähig“, sagt Benno Bartosch dem Betreiber. Aus Gründen des Brandschutzes. Voraussetzung für eine Zulassung nach dem Prostituiertenschutzgesetz ist, dass die baurechtliche Genehmigungsfähigkeit wenigstens im Grundsatz gegeben ist. Doch selbst wenn Walter G. alle Auflagen nach dem neuen Gesetz erfüllt, ist nicht sicher, ob er auf Dauer weitermachen kann. „Auch bei den Betreibern herrscht eine große Verunsicherung“, hat Polizeioberkommissarin Schwegler festgestellt.

Wenn man sich mit Kirsten Rickes unterhält, weiß man, warum. „Die große Mehrheit wird eine Ablehnung bekommen und zumachen müssen“, sagt die Leiterin des städtischen Baurechtsamts über die rund 60 Anträge von Rotlichtbetreibern, die dem Ordnungsamt derzeit vorliegen. Nicht nur, dass nur ganz wenige Betriebe heute schon eine baurechtliche Genehmigung haben. Inzwischen gibt es für alle Bezirke der Stadt Vergnügungsstättensatzungen, die festlegen, wo Bordelle oder bordellartige Betriebe zulässig sind. Das sind nicht viele Bereiche. An der Kernerstraße, wo Walter G. sein Etablissement hat, jedenfalls nicht. „An der Stelle kann man keine Genehmigung bekommen“, sagt Kirsten Rickes. Doch so schnell mahlen die Mühlen im Rotlichtgewerbe nicht. Auch die Chefin des Baurechtsamts weiß: Die Betreiber werden Rechtsmittel einlegen. Dann kann es Jahre dauern, bis die Betriebe zu sind. Rickes: „Auf die Schnelle tut sich da nichts.“