Das Verwaltungsgericht sagt, Pflichten zum Schutz von Prostituierten müssten erst eingehalten werden, wenn die Stadt ein Etablissement genehmigt habe. Doch im Leonhardsviertel gibt es laut Baurechtsamt bisher keinen einzigen genehmigten Betrieb.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat dem Betreiber eines Bordells im Leonhardsviertel recht gegeben, der sich gegen ein 2019 von der Stadt verhängtes Bußgeld zur Wehr setzte. Der Kläger muss demnach bestimmte Pflichten nach dem Prostituiertenschutzgesetz so lange nicht einhalten, bis die Kommune über seine bereits Ende 2017 beantragte Betriebsgenehmigung entschieden hat.

 

Laut Gesetz dürfen etwa die für sexuelle Dienstleistungen genutzten Räume von außen nicht einsehbar sein und müssen über ein Notrufsystem verfügen. Vorgeschrieben sind jederzeit nach innen zu öffnende Türen, angemessene Sanitäreinrichtungen und Aufenthalts- und Pausenräume. Im konkreten Fall hatte die Stadt moniert, dass in den gewerblich genutzten Räumen geschlafen und gewohnt würde, was gesetzlich ebenfalls untersagt ist.

Urteil überrascht nicht mehr

Das Urteil im Hauptsacheverfahren kommt nicht überraschend, da ihm ein entsprechender Beschluss des Gerichts mit vergleichbarer Begründung vorangegangen war. Zudem hatte der Verwaltungsgerichtshof (VGH) eine Beschwerde der Stadt dagegen zurückgewiesen. Der VGH verwies darauf, dass der Gesetzgeber unter Abwägung von Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes (für Bordell- oder Laufhausbetreiber) und der Gefahrenabwehr (für Sexdienstleisterinnen) bewusst „in Kauf genommen“ habe, dass bis zur Entscheidung über die Betriebserlaubnis die strengen Schutzforderungen nicht erfüllt sein müssten.

Bordellbetreibern soll ermöglicht werden, ihre Räume ohne teure Umbauten zu vermieten, bis Klarheit herrscht, ob sie überhaupt eine Genehmigung erhalten. Die Stadt argumentierte vergeblich, dies würde dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechen, weil Mindeststandards zum Schutz der Frauen in jeder Phase des Verfahrens unerlässlich seien.

Stadt hätte längst entscheiden können

Das hat den VGH zur Frage animiert, warum die Kommune nicht längst über den Antrag zum Betrieb des Laufhauses befunden hat. Tatsächlich ist die Vergnügungsstättenkonzeption aus dem Jahr 2012 für fast alle Stadtbezirke baurechtlich umgesetzt – nur fürs Leonhardsviertel noch nicht. Im Rathaus wird aktuell ein Komplettverbot der Prostitution diskutiert, aber auch begrenztere Vorgehensweisen könnten mehrheitsfähig sein. Das Baurechtsamt geht davon aus, dass es im Quartier aktuell keine genehmigten Betriebe gibt. Auch das sehen Bordellbetreiber anders. „Wichtig ist, dass der Gemeinderat mit einem neuen Bebauungsplan endlich Planungssicherheit für alle schafft. Wir haben den Weg dafür vorgezeichnet“, sagte Stadtsprecher Sven Matis. „Bitter ist der Spruch für die Prostituierten.“