Jahrelang haben die Franzosen darüber debattiert. Jetzt geht es zur Sache. Frankreichs Nationalversammlung will in der nächsten Woche einen Schritt zur Abschaffung der Prostitution machen.

Paris - Jahrelang haben die Franzosen darüber debattiert. Jetzt geht es zur Sache. Am Freitag ist der Gesetzentwurf „zur Abschaffung der Prostitution“ in die Nationalversammlung eingebracht worden. Nächste Woche soll er auch schon verabschiedet werden. Sozialistische Regierung und rechtsbürgerliche Opposition ziehen an einem Strang. Um dem angeblich ältesten Gewerbe der Welt den Garaus zu machen, bietet der Staat Prostituierten Ausstiegs- und Umschulungshilfen an sowie Wohnraum. Ausländerinnen sollen eine sechsmonatige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Vor allem aber droht der Staat Freiern mit der Keule des Strafrechts.

 

Sie kommen zwar nicht ins Gefängnis, wie dies die Sozialistin Maud Olivier zunächst gefordert hatte, eine der Parlamentarierinnen, die für den Gesetzentwurf verantwortlich zeichnen. Ein Freier muss künftig aber 1500 Euro Geldstrafe zahlen. Im Wiederholungsfall ist das Doppelte fällig. Auch haben Kunden einer Prostituierten ein Praktikum zu absolvieren, das ihnen das Elend des Gewerbes vor Augen führt. In Filmen wie „Irma la douce“ mögen romantisch verklärte Bilder französischer Freudenmädchen um die Welt gegangen sein, die Wirklichkeit der Prostitution sieht nach Überzeugung der Befürworter der Gesetzesnovelle jedoch völlig anders aus.

„Wir sterben auf kleiner Flamme“, sagt die Ex-Prostituierte

„Mit dem Erwerb sexueller Dienstleistungen tut man Frauen, die in Frankreich 85 Prozent der Prostituierten stellen, Gewalt an“, versichert Olivier. Ehemalige Prostituierte wie die heute 58-jährige Rosen Hilcher, haben zu Protokoll gegeben, wie trist es im Alltag französischer Prostituierter aussieht, die Menschenhändlern und Zuhälterbanden ausgeliefert sind. „Wir sterben auf kleiner Flamme“, lautete Hilchers Fazit. Als Vorbild dient Frankreichs Abgeordneten Schweden, wo Freier bereits seit 1999 bestraft werden. Als abschreckendes Beispiel wurde im Parlament dagegen Deutschlands Prostitutionsgesetz herumgereicht.

Trügerisch wie die Filmbilder französischer Freudenmädchen sind auch die Bilder der Eintracht aus der französischen Nationalversammlung. Hinter den Kulissen gärt es. Zumal in den Reihen der Sozialisten herrscht Unruhe. Nicht wenige Genossen bezweifeln, dass das Gutgemeinte tatsächlich gut ist. Im Schutz der Anonymität beklagen sie, die Strafrechtsdrohung führe dazu, dass Prostituierte ihre Kunden künftig an noch dunklerem, noch abgelegenerem Ort zu treffen hätten, der Gewalt und Willkür von Menschenhändlern und Zuhältern noch mehr ausgeliefert seien.

Bei der Abstimmung werden wohl viele Abgeordnete fehlen

Derartige Zweifel zu artikulieren, gilt politisch freilich als nicht korrekt. Wer ein „Gesetz zur Abschaffung der Prostitution“ kritisiert, setzt sich zudem dem Verdacht aus, sie fördern oder gar selbst in Anspruch nehmen zu wollen. Frankreichs Abgeordnete, die oftmals als député-maire auch das Amt eines Bürgermeisters bekleiden, wollen dieses Risiko im Vorfeld der im März 2014 stattfindenden Kommunalwahlen auf keinen Fall eingehen. Anstatt ihre Bedenken vorzutragen, bleiben Kritiker der Abstimmung deshalb einfach fern. Hinter vorgehaltener Hand räumen Sozialisten ein, dass bei der Abstimmung rund ein Drittel der Genossen fehlen dürfte.

Künstler und Intellektuelle tun sich mit der Kritik leichter. Die Schauspielerin Catherine Deneuve und der Sänger Charles Aznavour haben offen eingeräumt, dass sie von Strafen für Freier oder Huren nichts halten. Angeführt vom Schriftsteller Frédéric Beigbeder und dem renommierten Figaro-Journalisten Eric Zemmour haben Prominente ein „Manifest der 343 Dreckskerle“ unterzeichnet. „Hände weg von meine Hure“, lautet ihr Schlachtruf, der mit dem Bekenntnis einhergeht, Dienste von Prostituierten in Anspruch genommen zu haben oder hierzu zumindest bereit zu sein.

Der Prostituiertenverband übt heftige Kritik

Auch Prostituiertenverbände üben heftige Kritik, weisen das zum Wohl ihrer Mitglieder ersonnene Gesetzeswerk geschlossen zurück. Morgane Merteuil, Vorsitzende des Verbands für Sexuelle Arbeit Strass, wirft den Politikern vor, einen „Krieg gegen die Huren“ angezettelt zu haben. Anstatt gegen Armut vorzugehen, die Frauen in die Prostitution trieben, entzögen die Politiker ihnen die Lebensgrundlage, zwängen sie zu noch mehr Heimlichkeit, trieben sie noch mehr an den Rand der Gesellschaft. Die Mehrheit der Abgeordneten dürfte das nicht hindern, nach jahrelangen Debatten Fakten zu schaffen.