Der Bundestag hat kurz vor der Sommerpause das Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten verabschiedet. Es soll nur ein Anfang sein – dennoch bringt es die Fachleute auf die Palme.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart/Berlin - Gemessen an all den bagatellisierenden Berichten im Fernsehen und in den Printmagazinen gilt käuflicher Sex in Deutschland mehr und mehr als Lifestyle-Produkt. Vermeintlich seriöse Bordellbetreiber geben Transparenz vor, und junge Frauen präsentieren sich als hochmotivierte Sexunternehmerinnen. Stuttgart gerät da sogar in eine unrühmliche Vorzeigerolle. Etablissements wie der Sauna-Club Paradise in Echterdingen oder der nunmehr geschlossene Pussy-Club in Fellbach erwecken den Eindruck, als sei die Region ein Rotlicht-Eldorado geworden.

 

Doch die Realität ist alles andere als schick. „Etwa 90 Prozent der Frauen arbeiten in der Prostitution unter Zwang, aus Notlagen heraus oder scheinfreiwillig“, sagt Helmut Sporer von der Kriminalpolizei Augsburg, der seit 20 Jahren Erfahrungen mit Menschenhandel sammelt. Im typischen Hurenalltag dürfe die Frau oft nur einen Bruchteil ihrer Einnahmen behalten, sei isoliert, kenne keinen Arzt und keine Hygienestandards. „Sie ist von Tristesse gezeichnet und gibt weder TV-Interviews, noch tritt sie in Talkshows auf“, beschreibt Sporer.

Der Bundesrat soll am 20. September entscheiden

Der Kommissariatsleiter wurde vom Rechtsausschuss des Bundestages jüngst als Sachverständiger eingeladen, um das geplante Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels zu bewerten. Stunden vor der Sommerpause beschloss der Bundestag am 27. Juni den Entwurf mit der Mehrheit von Union und FDP. Nun ist der Ärger groß, weil das Gesetz nicht nur Teilen der Opposition, sondern auch vielen Fachleuten nicht weit genug geht.Von der Tagesordnung des Bundesrates wurde das Vorhaben vor einer Woche vorzeitig gestrichen. Dort hat Rot-Grün die Mehrheit, hätte es also blockieren können. Dann wäre das Gesetz im Vermittlungsausschuss gelandet – mit dem Risiko, dass in dieser Legislaturperiode gar nichts mehr entschieden worden wäre. Nun soll es am 20. September in der Länderkammer beraten werden, und Schwarz-Gelb hofft darauf, dass SPD-geführte Länder bis dahin doch noch einlenken.

Mit dem Gesetz will die Koalition strengere Vorschriften für die Bordelle erlassen. Über eine Änderung der Gewerbeordnung werden befristete Konzessionen eingeführt, die mit Auflagen verbunden oder versagt werden können. Auch in bestehenden Betrieben können die Gewerbebehörden Kontrollen und Zuverlässigkeitsprüfungen der Betreiber vornehmen, um menschenunwürdigen Bedingungen einen Riegel vorzuschieben. Zudem wurde eine Öffnungsklausel für Länder geschaffen, die noch mehr tun wollen.