Am Mittwoch trat eine halbe Million Briten in den Ausstand, aus Protest gegen die Regierung. In fast allen Kliniken wurden Operationen verschoben.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

Auf bittere Reaktionen in weiten Teilen der britischen Bevölkerung ist am Mittwoch der neue Haushaltsplan der konservativen Regierung gestoßen. Während Finanzminister Jeremy Hunt darauf bestand, dass die Inflation zum Jahresende auf unter drei Prozent sinken und sich die wirtschaftliche Situation seiner Mitbürger nach und nach bessern werde, warfen seine Kritiker ihm vor, den Bedürftigsten im Land angesichts der rekordhohen Lebenshaltungskosten mit seinem Budget nicht zu Hilfe gekommen zu sein.

 

Mit landesweiten Streik- und Protestaktionen suchten am gleichen Tag eine halbe Million Britinnen und Briten auf fortwährende Reallohneinbußen vor allem in den öffentlichen Diensten aufmerksam zu machen. Der Streiktag dieser Woche war der bisherige Höhepunkt der Streikwelle, die voriges Jahr im Vereinigten Königreich anzurollen begann. Nachdem in den letzten Monaten bereits Krankenpfleger und -pflegerinnen und Ambulanzfahrer tageweise in den Streik getreten waren, nahmen jetzt erstmals auch die Assistenzärzte am Ausstand teil – und das 72 Stunden lang.

Rund die Hälfte aller Schulen blieben geschlossen

In fast allen Kliniken des Landes mussten in der Folge Arzttermine und Operationen abgesagt werden. Durch die Streiks hat sich so die schon schwierige Situation im staatlichen Gesundheitswesen weiter verschlechtert. Aber den Streikenden sei „keine andere Wahl“ geblieben, erklärte der Ärzteverband.

Auch rund die Hälfte aller Schulen in England blieb am Mittwoch geschlossen oder öffnete nur für Schüler, die vor Abschlussprüfungen stehen. Um die erforderliche Ausstattung von Schulen ging es bei diesen Streiks ebenso wie um bessere Arbeitsbedingungen und „faireren“ Lohn.

BBC-Journalisten legten die Arbeit für einen Tag nieder, um gegen die Ausdünnung der Lokal- und Regionalstudios zu protestieren. Und rund 150 000 Beschäftigte aus über hundert Ämtern und Behörden stellten ebenfalls die Arbeit ein.

Mark Serwotka, Generalsekretär der wichtigsten Gewerkschaft der öffentlichen Dienste, warnte, dass sich die Streiks bis zum Ende des Jahres hinziehen könnten. „Man hat uns eine zweiprozentige Lohnerhöhung angeboten, während der Preisanstieg bei Nahrungsmitteln vorige Woche 16 Prozent betrug. 40 000 Staatsbeamte müssen sich über Essenstafeln bei karitativen Organisationen versorgen, und 45 000 beziehen trotz ihrer Jobs Sozialhilfe, weil sie derart arm, weil sie mittellos sind“, sagte er.

Demo auf dem Trafalgar Square

In der Downing Street, der Regierungszentrale, besteht man indes darauf, dass „kein Geld vorhanden“ sei für den von den Gewerkschaften geforderten Inflationsausgleich. Gesundheitsminister Steve Barclay nannte die Forderungen der Assistenzärzte „schlicht unerschwinglich“. Er warnte vor einem „echten Risiko für die Sicherheit von Patienten durch den Streik“. Bildungsministerin Gillian Keegan wiederum verweigert den Lehrergewerkschaften prinzipiell alle Verhandlungen, solange diese ihre Arbeitskämpfe nicht abblasen.

Auch das Personal der Londoner U-Bahn war am Mittwoch im Streik. Alle U-Bahn-Stationen blieben geschlossen. Überall in den Straßen der britischen Hauptstadt stockte stundenlang der Verkehr. Zehntausende Demonstranten versammelten sich am Nachmittag am Trafalgar Square.

Ein Zugeständnis an die kritische Lage vieler seiner Landsleute machte Schatzkanzler Hunt mit der Verlängerung der festen Obergrenze für Energiepreise um drei Monate, also bis Ende Juni.

Blitz-Umfragen des YouGov-Instituts zufolge kommen die Konservativen für die nächsten Wahlen auf 23 Prozent aller Stimmen und Labour auf 45 Prozent.