Protest gegen Africom Mit der Stimme gegen Drohnen

80 Aktivisten haben vor den Kelley Barracks gegen die Drohneneinsätze von AFRICOM protestiert. Auch die Möhringerin Martina Holz-Stickl hat mitgesungen. Und wir waren mit der Kamera und dem Aufnahmegerät dabei.
Möhringen/Plieningen - Laut und melancholisch dröhnten die Harmonien von Wolfgang Amadeus Mozarts Requiem über die Plieninger Straße. Auf Klappstühlen saßen ein ganzes Orchester und ein Chor; insgesamt 80 Musiker spielten und sangen vor einem Publikum auf Bierbänken. Doch das war kein normales Straßenkonzert; hier wurde protestiert. Die Initiative Lebenslaute blockierte am Montag, 29. August, Bilder die Zufahrtswege zu den Kelley Barracks und demonstrierte musikalisch gegen die Drohneneinsätze der US-Armee in Afrika.
Mitten unter ihnen – im Alt – hat Martina Holz-Stickl aus voller Kehle mitgesungen. „Diese Schreibtischtäter vor meiner Haustür kann ich nicht ignorieren“, sagte sie. Holz-Stickl lebt seit zehn Jahren in Möhringen; seit vier Jahren engagiert sie sich bei der Aktionsgruppe Lebenslaute. Unter anderem gegen Heckler und Koch hat sie schon mit ihrer Stimme protestiert.
Bisher musste sie in andere Städte zu den musikalischen Protesten gegen Krieg und Menschenrechtsverletzungen reisen, die Lebenslaute bundesweit veranstaltet. Als sie erfuhr, dass sich die nächste Aktion gegen eine Einrichtung in ihrer Nähe, die Kelley Barracks der US-Armee, richtet, wurde sie nachdenklich. „Es herrscht viel Unwissenheit und vielleicht auch Desinteresse darüber, was die Amerikaner in Stuttgart eigentlich machen.“ Deshalb hofft sie, dass sich die Stuttgarter wieder mehr über den Krieg aus ihrer eigenen Stadt informieren und sich dagegen engagieren.
Im Vorfeld studierte die Möhringerin die Stücke von Mozart, Beethovon und Bernstein ein. Sie spielt kein Instrument, deswegen sang sie im Chor mit. Bereits fünf Tage vor der Aktion traf sich die Gruppe aus Laien- und professionellen Musikern in Esslingen zur Probe. „Manche nehmen sich extra Urlaub für die Lebenslaute-Aktionen“, erzählte Holz-Stickl.
Am Montag war es dann soweit, um sechs Uhr stand sie vor dem Kasernengelände, das mit Zäunen und Stacheldraht von der Außenwelt abgeriegelt ist. Angekündigt war der Protest erst um 10 Uhr vor dem Haupteingang. „Zu jeder Lebenslaute-Aktion gehört auch eine Form des zivilen Ungehorsams“, ließ eine Sprecherin von Lebenslaute im Vorfeld durchblicken. Die Musiker sperrten deswegen die Zufahrten zum Gelände. „Ich habe dort gesungen, dann hat die Polizei mit uns verhandelt“, berichtete Holz-Stickl. Letztlich löste die Polizei die Blockade auf; rund 35 Demonstranten führten oder trugen die Beamten weg.
Seit 30 Jahren treten die Musiker des Netzwerks Lebenslaute deutschlandweit auf und verbinden zivilen Ungehorsam und Proteste für den Frieden mit klassischer Musik. Die Instrumente der Gruppe erklingen auch vor Militärstützpunkten, Atommeilern oder Ausländerbehörden. 2014 bekam Lebenslaute für die friedlichen Aktionen den Aachener Friedenspreis. In ihrem Jubiläumsjahr engagiert sich die Gruppe für die Schließung von Africom .
Africom ist die Kurzform für United States Africa Command. Es bezeichnet das Oberkommando über die US-Militäraktionen in Afrika, die von Stuttgart aus koordiniert werden. Die Mission von Africom ist laut der Webseite der U.S. Army, Konflikte zu verhindern und transnationale Bedrohungen zu neutralisieren.
Dieses „neutralisieren“ ist den Mitgliedern von Lebenslaute ein Dorn im Auge, denn dafür kommen Drohnen zum Einsatz. „Das ist Terror“, erklärte Holz-Stickl ihre Meinung zu den Drohnenkriegen. „Denn ob ein Staat oder ein einzelner Mensch willkürlich töten, ist unerheblich.“
Die Pressestelle des U.S. Africa Command wollte keine Stellung zu den Protesten beziehen und erklärte auf Nachfrage, auch bei dem Konzert und den Protestaktionen nicht vor Ort zu sein.
Das Konzert um 10 Uhr vor dem Haupteingang zu den Kelley Barracks stand unter dem Motto Schlussakkord dem Drohnenmord. „Musik berührt Menschen auf einer anderen Ebene als Worte“, sagte Holz-Stickl. Die Auswahl der Stücke sollte unter anderem die Trauer über die Getöteten widerspiegeln. Diese Kombination aus Musik und Aktivismus machte die Gruppe Lebenslaute für Holz-Stickl attraktiv. „Herr, gib ihnen ewige Ruhe“, sang Holz-Stickl auf Latein, sie schaute bei diesen Worten zum Himmel. Das Orchester setzte ein, die Lautsprecher schepperten.
Von der Aktion waren nicht nur die Mitarbeiter der Kelley Barracks betroffen, die von den Orchesterklängen beschallt wurden. Auch die Autofahrer bekamen die Auswirkungen der Blockade zu spüren und standen morgens im Stau, weil die Polizei die Plieninger Straße gesperrt hatte.
Ob die Aktion etwas bewirkt, weiß die Möhringerin nicht. „Doch den Versuch ist es wert.“ Die Einstellung mancher Menschen, dass man eh nichts gegen Krieg und die internationale Politik machen könne, kann sie nicht verstehen. „Ich will nicht aufgeben, ich will mich verantwortlich fühlen“, erklärte sie, bevor die Noten des Chors wieder ihre Aufmerksamkeit beanspruchten. Wenn Sie Zeit hat, will Holz-Stickl auch bei den nächsten Aktionen von Lebenslaute gegen den Krieg ihre Stimme erheben.
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