Jeder Vierte von 4100 Postmitarbeitern der Briefniederlassung Göppingen hat nur einen Arbeitsvertrag auf Zeit. Diese Menschen haben Angst vor der Zukunft.

Region: Corinna Meinke (com)

Göppingen - Als unerträglich bezeichnen Beschäftigte den hohen Anteil von befristeten Arbeitsverhältnissen in der Briefniederlassung Göppingen der Deutschen Post. Nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi soll mindestens jeder Vierte der rund 4100 Beschäftigten nur über einen befristeten Arbeitsvertrag verfügen, obwohl das Geschäft der Post weiter wachse, so Verdi. Ihren Unmut haben die Beschäftigten bei einer Protestaktion am Dienstag vor dem Zustellstützpunkt in der Stuttgarter Straße in Göppingen kundgetan. Die Gewerkschaftsvertreter kündigten an, dem Arbeitgeber Deutsche Post künftig die Zustimmung zu vorhersehbaren Überstunden und Sonderschichten genauso zu versagen wie zu weiteren befristeten Neueinstellungen. Die Beschäftigten wurden außerdem aufgefordert, künftig nicht mehr auf freie Tage zu verzichten.

 

Manche Arbeitsverträge gelten nur wenige Wochen

„Man weiß nie genau, wie es im nächsten Monat weitergeht“, beschreibt eine Mitarbeiterin die Unsicherheit, die ein befristeter Arbeitsvertrag für sie bedeutet. Während fünf von elf Beschäftigungsjahren war die Postmitarbeiterin permanent dieser ungewissen Situation ausgesetzt. Bei der Gestaltung der befristeten Verträge beweise die Post großen Einfallsreichtum, denn die Beschäftigungsdauer reiche von wenigen Wochen, über drei Monate bis zu einem halben Jahr, beschreibt der Post-Betriebsratsvorsitzende Andreas Springer-Kieß die Anstellungspraxis seines Arbeitgebers. Zur Briefniederlassung Göppingen gehören die Briefzentren Salach und Heilbronn sowie das Paketzentrum Köngen (Kreis Esslingen).

Hugo Gimber, der Stuttgarter Sprecher der Deutschen Post DHL im Geschäftsbereich Süd, bestätigt den Einsatz von Mitarbeitern auf Zeit, bezeichnet diese allerdings lediglich als sogenannte Abruf- und Zusatzkräfte. Auch nach dem endgültigen Fall des Postmonopols im Jahr 2008 kann sich der Marktführer unter den Zustelldiensten, der seit 14 Jahren börsennotiert ist, nicht wegen mangelnder Arbeit beklagen. Das Volumen nehme zu, sagt Gimber, obwohl der reine Briefverkehr pro Jahr um zwei bis drei Prozent abnehme. „Das können wir mit adressierter Werbung auffangen“, erklärt der Postsprecher.

Befristet Beschäftigte leben in Angst vor der Zukunft

Derzeit arbeiten die Postarbeiter unter Hochdruck, denn in der Hochsaison bis Weihnachten werden doppelt so viele Briefe und Pakete verschickt als sonst. Dieser Starkverkehr, wie es im Postdeutsch heißt, beschert den Beschäftigten erhebliche Mehrarbeit. Auch dies sei problematisch, sagt der Betriebsratsvorsitzende. Viele Kollegen mit befristeten Verträgen würden aus Angst vor Kündigung und Nichtweiterbeschäftigung etwa ihr Recht auf freie Tage nicht einforderten. Auch der Abbau von Überstunden sei oft nicht möglich, bestätigt ein weiterer Mitarbeiter. Er gehört zu dem derzeit noch 30-prozentigen Beamtenanteil in der Belegschaft, einem Relikt aus der Zeit, als die Post noch Staatsunternehmen war.

Vor Weihnachten weitere 450 Befristete eingestellt

Dass die Wochenarbeitszeit von Beschäftigten bei Bedarf erhöht werde, bestätigt der Postsprecher. In der Praxis erhalte ein Arbeitnehmer nur einen Vertrag über 20 reguläre Wochenstunden, könne aber bei Bedarf bis zu 38,5 Wochenstunden beschäftigt werden. Zusätzlich zu den bestehenden rund 910 befristet Beschäftigten wurden laut Gimber bis Weihnachten weitere 450 Befristete eingestellt.