Seit Anfang Oktober sind über 1600 Zugverbindungen ausgefallen. Der Protest artikuliert sich immer stärker, eine Bürgerinitiative sammelt 1800 Unterschriften.

Ludwigsburg - Hans-Martin Sauter ist ein Dauerbahnfahrer. Und ein Bürger, der sich mit Missständen nicht gerne abfindet. „Die Situation ist eine einzige Katastrophe“, sagt er über die Zugausfälle und Verspätungen, die seit Monaten auf Nebenstrecken die Pendler nerven. Sauter hat daraufhin mit einer Bürgerinitiative 1800 Unterschriften gesammelt und am Donnerstag im Landtag dem Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) übergeben.

 

Die Bahn dokumentiert die Schwierigkeiten selbst. So sind seit Anfang Oktober in Nordwürttemberg pro Woche zwischen 140 und 250 Zugverbindungen ausgefallen. Insgesamt waren es genau 1642 bis Ende November, die Ausfallquote lag bei bis zu zwei Prozent. Aufgelistet werden auch die Gründe dafür: Fahrzeugschäden und marode Infrastruktur sind die wichtigsten Ursachen, dazu kommen krankheitsbedingte Ausfälle und Menschen auf den Gleisen.

Nur knapp über 60 Prozent der Züge sind pünktlich

Aufschlussreich ist auch die Pünktlichkeits-Statistik: Zwischen Stuttgart, Heilbronn und Würzburg, auf der so genannten Frankenbahn, kamen in einigen Wochen nur 62 Prozent der Züge pünktlich an. Ähnlich ist die Lage auf der Remsbahn nach Aalen. „Die ausgefallenen Verbindungen sind dabei gar nicht eingerechnet“, sagt Hans-Martin Sauter, der auch im Landesvorstand des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) ist. Sauter hat schon im Jahr 2005 eine Bürgerinitiative gegen Zugstreichungen gegründet. Diese ist nun wiederbelebt worden und organisiert die Proteste der Bahnkunden. Der VCD unterhält außerdem eine zentrale Anlaufstelle, an die Probleme gemeldet werden können.

Viele Pendler haben sich auch direkt an die Zeitung gewandt, um ihr tägliches Leid zu klagen. Ein Beispiel von vielen ist Thomas Stimpel aus Walheim. „Das Chaos wird noch größer“, berichtet er. Stimpel fährt jeden Morgen von Walheim nach Ludwigsburg. „Zwischen 6.34 und 7.45 Uhr war der Zug immer verspätet. Man ist schon erleichtert, wenn es nur zehn Minuten sind“, erzählt er. Auch 25 Minuten seien keine Seltenheit. Abends um 17.30 Uhr falle oft ein Zug aus, dann würden „Sardinenzustände“ am Bahnsteig herrschen: Eng an eng stünden die Pendler und warteten auf den Zug.

Inzwischen schalten sich auch immer mehr Politiker in die Diskussion ein. Der Grünen-Abgeordnete Daniel Renkonen hat am Donnerstagabend eine gut besuchte Versammlung in Besigheim organisiert. Der CDU-Mandatsträger Fabian Gramling wendet sich direkt an die Bahn: „Eine pünktliche und zuverlässige Verbindung ist Voraussetzung für eine breite Akzeptanz.“ Gramling weist auf ein weiteres Problem hin: „Die Verspätungen werden über die Anzeigetafeln nicht richtig oder nicht präzise genug angekündigt.“ Ein weiteres Problem sind Waggons, die seit dem 1. Oktober eingesetzt werden und teilweise älter sind als die umstrittenen „Silberlinge“. Sauter ist am Donnerstag in einem Zug des Baujahrs 1979 von der Unterschriftenübergabe in Stuttgart zurückgefahren.

Stammkunden erhalten ein Monats-Abo-Preis

Die Bahn reagiert entschuldigt sich. „Die Qualität entspricht nicht dem Anspruch, den wir an uns selbst stellen“, sagt David Weltzien, der Regionalleiter der Bahn im Südwesten. Daher habe man sich entschlossen, 1600 Stammkunden zu entschädigen – sie bekommen einen Monatsbeitrag ihres Abonnements als Reisegutschein. „Wir haben dabei Kunden berücksichtigt, die nicht auf S-Bahnen oder andere Verbindungen ausweichen können“, erklärt ein Bahnsprecher.

Zudem hat die Bahn, wie berichtet, eine Task Force eingerichtet, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Nach dem Fahrplanwechsel am 11. Dezember sollen nach und nach moderne Doppelstock-Waggons eingesetzt werden. Auch habe man Züge aus anderen Bundesländern angefordert und mehr Personal in den Werkstätten eingesetzt. Jeden Dienstag muss das Bahnmanagement zudem beim Verkehrsminister Winfried Hermann zum Rapport antreten. Dieser stellt klar: „Das Land wird nicht nachlassen, darauf zu achten, dass den Bahnkunden auf Dauer pünktliche und saubere Züge mit ausreichender Kapazität zur Verfügung stehen.“ Sein Sprecher Edgar Neumann erklärt, es gebe zwar Verbesserungen, doch es sei von Seiten der Deutschen Bahn noch einiges zu tun.

Immerhin zeigen die Statistiken für die letzte Novemberwoche eine geringere Zugausfallquote. Für Hans-Martin Sauter reicht dies aber noch nicht: „Wir werden so lange weiter protestieren, bis der Regionalverkehr zuverlässig funktioniert.“