Die Ankündigung einer Demonstration gegen Tierversuche sorgt in Tübingen für Aufregung. Das Max-Planck-Institut ist außer sich, der Oberbürgermeister Boris Palmer spricht von Praktiken wie beim Ku-Klux-Klan. Doch die Aktivisten können das gar nicht verstehen.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Tübingen - Im Kampf um das Schicksal der letzten etwa zehn Versuchsaffen im Tübinger Max-Planck-Institut (MPI) für biologische Kybernetik verschärft die Soko Tierschutz ihre Gangart. Bei einer als Schweigemarsch angekündigten Demonstration am Samstag in einer Woche will der in Augsburg gemeldete gemeinnützige Verein nicht nur das MPI ansteuern, sondern auch zu den Wohnadressen von drei beteiligten Wissenschaftlern ziehen. Dort solle jeweils eine kurze Ansprache gehalten und eine Protestnote übergeben werden.

 

Der kommissarische Generalsekretär der Max-Planck-Gesellschaft in München, Rüdiger Willems, nannte die Soko-Ankündigung „vollkommen unangemessen“. Er sprach von einem „unerträglichen Eingriff in die Privatsphäre unserer Mitarbeiter und deren Familien“. Die Landesbeauftragte für den Tierschutz, Cornelie Jäger, kritisierte, die Soko vermenge eine Systemdiskussion mit personalisierter Diffamierung. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) zog auf seiner Facebook-Seite einen Vergleich mit den Praktiken des Ku-Klux-Klan. „Stellt euch vor das MPI, solange ihr wollt, aber lasst das Privatleben von Familien in Frieden!“, postete Palmer. Ein Verbot des Marsches sei nach dem Versammlungsgesetz nicht möglich. Allerdings verfügte Palmer einen Mindestabstand zu den Wohnungen von 100 Metern. „Das ist Sippenhaft“, sagte er.

„Das sind die Hauptverantwortlichen“

Der Soko-Vorsitzende Friedrich Mülln versicherte, man wolle gegen Tierversuche demonstrieren, nicht gegen die Familien der Forscher. Deshalb habe man sich zuvor per E-Mail an die Betroffenen gewandt und angeboten, sie „in die Planung einzubeziehen“, damit nicht „Unbeteiligte durch den Protest behelligt“ würden. Bei den drei ausgewählten Forschern handle es sich um „hauptverantwortliche Vivisektoren“, die nicht als Befehlsempfänger des MPI, sondern aus eigenem wissenschaftlichen Ehrgeiz ihre „sinnlosen Experimente“ an Affen vornähmen, sagte Mülln. „Wir wünschen uns einen Dialog. Leider war das MPI dazu bisher nicht bereit.“

Verdeckte Recherchen der 300 Mitglieder zählenden Soko Tierschutz hatten vor drei Jahren eine Diskussion über die Experimente an Affengehirnen angestoßen. 2015 rückte die Polizei zu einer Hausdurchsuchung im MPI aus. Das Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz steht nach Angaben der Tübinger Staatsanwaltschaft kurz vor dem Abschluss. Ein in Auftrag gegebenes Gutachten sei abgeschlossen und den Verteidigern zugeleitet worden, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Zum Ergebnis wollte sie sich nicht äußern.

Die Versuchsaffen haben keine Zukunft

Unabhängig davon will das MPI zum April die Tierversuche an nichthumanen Primaten einstellen. Die Soko Tierschutz möchte die übrigen Tiere in Gnadenhöfen unterbringen. Die Pläne des MPI sind anders. Ein Teil werde aufgrund notwendiger histologischer Untersuchungen gemäß den Versuchsanträgen eingeschläfert, für die übrigen werde nach geeigneten aufnehmenden Einrichtungen im wissenschaftlichen Bereich gesucht, erklärte eine Sprecherin. Die Landestierschutzbeauftragte Jäger hat dafür Verständnis: „Fast alle Versuchsaffen sind nicht resozialisierbar.“