Die Telekom will auf dem städtischen Grundstück an der Ecke Musberger Straße/Rohrer Straße in Stuttgart-Rohr einen 25 Meter hohen Funkturm bauen. In dem Wohngebiet formiert sich nun Widerstand. In einem Rundschreiben fordern Nachbarn zum Einspruch auf.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Rohr - Kurz vor Weihnachten haben Anwohner auf der Rohrer Höhe Post von der Stadt bekommen. Darin informierte das Baurechtsamt darüber, dass die Telekom-Gruppe, konkret die Deutsche Funkturm GmbH, einen 25 Meter hohen Antennenmast mit einer Funkübertragungsstation auf dem kleinen Wiesengrundstück an der Ecke Musberger Straße/Rohrer Höhe aufstellen möchte. Das Flurstück mit der Nummer 403 gehört der Stadt. Derzeit werden dort wie jedes Jahr um diese Zeit die ausgedienten Weihnachtsbäume gesammelt.

 

Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer auf der gesamten Rohrer Höhe. Viele Bürger haben sich bei unserer Redaktion gemeldet. Von einem „ungeheuerlichen Plan mitten im Wohngebiet“ ist in einem Fax die Rede. In einer Mail heißt es: „Der Standort unmittelbar zwischen einem Landschaftsschutzgebiet und einem dicht besiedelten Wohngebiet ist absolut unmöglich.“ Am Telefon berichtet ein Bürger, dass auf dem Grundstück häufig Rehe grasen oder Kinder spielen. „Ist denn der Mensch nichts mehr wert?“, fragt er.

Anwohner haben eine Mail-Adresse eingerichtet

Drei Bürger haben gemeinsam einen Brief an die Nachbarn in der näheren Umgebung verfasst. Im Umkreis von nur 500 Metern würde der sechste Sendemast auf der Rohrer Höhe errichtet, schreiben sie. „Ungeachtet der optischen Störung einer bislang naturbelassenen Ecke werden die meisten von uns auf dem Balkon oder der Terrasse in direktem Sichtkontakt mit den Funkantennen des über 25 Meter hohen Sendemastes stehen – einhergehend mit einer deutlichen Erhöhung der ohnehin schon vorhandenen Strahlenbelastung.“ Die gesundheitlichen Bedenken in der Bevölkerung seien groß. Mobilfunkstrahlung stehe immer wieder im Verdacht, das Krebsrisiko zu erhöhen. Zudem sei mit einer beträchtlichen Wertminderung der Immobilie zu rechnen.

Die drei Anwohner fordern ihre Nachbarn auf, selbst die Initiative zu ergreifen. „Legen Sie Beschwerde ein. Beim Baurechtsamt. Beim Gemeinderat. Beim Gesundheitsamt.“ Für die Einsicht der Unterlagen haben sie eine E-Mail-Adresse eingerichtet. Wer an sendemast.rohrerhoehe@gmail.com schreibt und seine Kontaktdaten nennt, wird am Informationsaustausch beteiligt. Gesucht seien zudem Mitstreiter, die sich mit Baugenehmigungsverfahren auskennen oder den Widerspruch juristisch begleiten wollen.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft Rohrer Höhe 60/62 hat inzwischen offiziell Widerspruch beim Baurechtsamt eingelegt. Die L+H Hausverwaltung, welche den Brief verfasst hat, argumentiert wie die drei Initiatoren des Rundschreibens mit den gesundheitlichen Risiken und der Wertminderung für die Grundstücke. Des Weiteren schreibt die Hausverwaltung: „Es gibt bestimmt andere Plätze auf der Rohrer Höhe, die für beide Seiten, Aufsteller wie Eigentümer, akzeptabel wären.“

Eigentümer wollten ihre Grundstücke nicht zur Verfügung stellen

Die Stadtverwaltung sieht das anders. In einer Stellungnahme schreibt der Pressesprecher Martin Thronberens: „Im Vorfeld der Einreichung des Bauantrags hat der Mobilfunkbetreiber Alternativstandorte geprüft.“ Demnach seien im Versorgungsgebiet keine Eigentümer bereit gewesen, ihr Grundstück beziehungsweise das Dach ihres Hauses zur Verfügung zu stellen. Eine Mitnutzung des in der Nähe der Autobahn stehenden Masts sei funktechnisch nicht möglich. Zudem schreibt Thronberens: „Der beantragte Standort außerhalb der Wohnbebauung und außerhalb des angrenzenden Landschaftsschutzgebietes ist auch aus städtebaulicher Sicht geeignet.“

Die Frage, ob von einem Funkmast eine Gesundheitsgefährdung ausgehe, mag Thronberens nicht beantworten. „Das Thema Strahlen- beziehungsweise Immissionsschutz ist kein kommunales Rechtsgebiet, hier liegt die Kompetenz beim Bund“, schreibt er. Maßgebend seien die Verordnungen zum Bundesimmissionsschutzgesetz. Zuständig für deren Einhaltung sei die Bundesnetzagentur.

Neue Anlage soll Versorgungslücke schließen

Ob das Baurechtsamt den Bau des Funkmasts genehmigt, kann Thronberens derzeit noch nicht sagen. Nur so viel: Es gelten die Bestimmungen der Landesbauverordnung. Diese sehe für die Errichtung eines Funkmasts auf einem städtischen Grundstück vor, dass sich in dessen Nähe keine Einrichtungen mit sensiblen Nutzungen wie Kindergärten oder Schulen befinden sollen. „Unter Nähe wird in der Regel ein Abstand von 100 Metern angenommen“, erklärt Thronberens. Bei der in Rohr geplanten Anlage ist das der Fall.

Der Pressesprecher verweist auch darauf, dass die Menschen in Rohr von der Anlage profitieren würden. Denn der Mast solle nach Auskunft des Betreibers im Stadtteil die Versorgung mit dem Mobilfunkstandard LTE verbessern, also schnelles mobiles Internet ermöglichen. Thronberens schreibt: „Es ist davon auszugehen, dass eine Vielzahl der Bewohner daran interessiert ist, dass mit dem Mast eine Versorgungslücke geschlossen werden kann.“