In der kommenden Woche wollen die Beschäftigten für mehr Geld für bessere Verbindungen demonstrieren – auch wenn die Verschuldung dadurch steigt.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Bundesregierung steuert bei der Deutschen Bahn AG erneut auf einen harten Konflikt mit den Arbeitnehmern zu. Für kommenden Montag hat die Eisenbahnverkehrsgewerkschaft EVG ihre Mitglieder in ganz Deutschland zu einer Protestdemonstration im Berliner Regierungsviertel aufgerufen, zu der mehr als tausend Teilnehmer erwartet werden. Motto der Aktion ist „Bahnretter: Mehr Bahn für die Menschen!“

 

Im Kern geht es um die Finanzierung einer besseren Bahn und einer Verkehrswende. „Wenn die Schiene Zukunft haben soll, muss die Politik ihren Worten endlich Taten folgen lassen“, forderte der Konzernbetriebsratschef des größten Staatskonzerns, Jens Schwarz, in Berlin. Die überalterte Infrastruktur zu modernisieren, sei mit den bisher in Aussicht gestellten Mitteln nicht möglich, kritisierte Veit Sobek, Betriebsratschef bei der DB Netz AG. Beide sitzen im 20-köpfigen DB-Konzernaufsichtsrat, wo die Arbeitnehmerbank die Hälfte der Stimmen kontrolliert.

Die Bahn hat bereits 20 Milliarden Euro Nettoschulden aufgehäuft

Die Regierung müsse bereit sein, eine höhere Verschuldung des Konzerns zu akzeptieren, sagte Jörg Hensel, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats bei der verlustreichen DB Cargo AG und ebenfalls Aufsichtsrat, unserer Zeitung. Seit 30 Jahren kämpfe man für eine bessere Bahn. Wenn die Regierung eine Verkehrswende, mehr Klimaschutz und weniger Staus wirklich wolle, so Hensel, „dann muss man jetzt handeln und auch eine höhere Verschuldung der DB AG akzeptieren – warum denn nicht?“

Diese Entscheidungen seien Aufgabe der DB-Spitze und des Bundes als Eigentümer, so die Betriebsräte. Die DB AG hat in den 25 Jahren seit der Bahnreform bereits 20 Milliarden Euro Nettoschulden aufgehäuft. Der Haushaltsausschuss des Bundestages sieht das bisher als Obergrenze an. Diese „künstliche Grenze“ sei hinter den Kulissen aber „ein Riesen-Streitpunkt“, sagte Schwarz. Die Betriebsräte fordern vom Bahnvorstand und vom Bund, sich alle Finanzierungswege offenzuhalten.

In der „Agenda für eine bessere Bahn“ von DB-Chef Richard Lutz, die Qualität und Pünktlichkeit verbessern soll, klafft wie berichtet aktuell eine Finanzlücke von rund fünf Milliarden Euro. Der Aufsichtsrat hat im März die DB-Spitze beauftragt, den Verkauf der Auslandstochter Arriva rasch auf den Weg zu bringen. Bisher jedoch zeichnet sich ab, dass der mögliche Verkaufserlös bei Weitem nicht reicht, die Lücke zu stopfen.

Auch ein weiterer Kapitalzuschuss des Bundes an seinen größten Konzern müsse eine Option bleiben, verlangt Schwarz. Bereits vor wenigen Jahren hatte der Bund für mehr als zwei Milliarden Euro Eigenkapital erhöht und auf Dividenden verzichtet, um das 2015 begonnene Sanierungskonzept „Zukunft Bahn“ von Ex-Konzernchef Rüdiger Grube zu unterstützen. Dieses Konzept sei „gescheitert“, sagte Schwarz, die Ziele seien nicht erreicht worden.

Das Ziel ist der Deutschlandtakt 2030 mit mehr und besseren Verbindungen

Mitte Juni will der DB-Aufsichtsrat, in dem die Vertreter der Regierung und der Arbeitnehmer bestimmen, in einer zweitägigen Klausur die künftige Strategie beraten und dann beschließen. Bisher gibt es aber keine Einigkeit über den Weg in die Zukunft. Die bisher noch geltende Strategie „DB 2020+“ sehe sogar noch vor, dass die DB AG Weltmarktführer im Transportmarkt werden solle, sagte Schwarz. Künftig soll sich der Konzern vor allem aufs Kerngeschäft des Schienenverkehrs in Deutschland konzentrieren und laut Koalitionsvertrag die Gewinnmaximierung nicht mehr im Vordergrund stehen.

Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will mit einem Schienenbündnis einen besseren Bahnverkehr erreichen. Im Zentrum steht der Deutschlandtakt 2030 mit mehr und besseren Verbindungen. Für die dafür nötige Modernisierung des überlasteten und veralteten Netzes sind aber riesige Summen aus dem Staatsetat nötig. Alexander Kirchner, EVG-Vorsitzender und Vizechef des DB-Aufsichtsrats, veranschlagt allein den Nachholbedarf auf 57 Milliarden Euro, der entstanden ist, weil Jahrzehnte viel zu wenig und ineffizient investiert wurde.

Für die meisten versprochenen Maßnahmen wie die Digitalisierung, neue Strecken, Entlastung der Bahnknoten, Elektrifizierung und Sofortmaßnahmen fehle bisher die Finanzierung vom Bund ganz oder teilweise, kritisiert Netzexperte Sobek. Glänzendes Vorbild sei die Schweiz, die mehr als das Fünffache pro Kopf in die Schiene investiere: „Das wären in Deutschland rund 30 Milliarden Euro pro Jahr, dann hätten wir wie dort eine goldene Schiene.“