Die Gegner des Projekts schlagen eine immer härtere Gangart an: Blockadepläne und ein Aufruf zum Volksaufstand stehen im Raum.  

Stuttgart - In einem Zeltcamp oberhalb des Stuttgarter Stadtbezirks Mühlhausen bereiten die sogenannten Parkschützer am Wochenende eine Protestaktion gegen Stuttgart 21 vor, in deren Rahmen am Montag und Dienstag angebliche Bauarbeiten am Hauptbahnhof blockiert werden sollen. Allerdings ruhen diese nach Angaben der BahnAG wegen des Wechsels in der Landesregierung zurzeit ohnehin.

 

Auf einer großen Wiese bei Mühlhausen sind am Freitag mehrere kleine Zelte und ein großes Zirkuszelt aufgebaut worden. Bis zu 1000 Teilnehmer aus Deutschland, Frankreich und Italien erwarten die Veranstalter. "Mit dem Camp wollen wir den Widerstand gegen Stuttgart21 stärken und vernetzen", sagte die Parkschützerin Julia von Staden. Nach dem Motto "Baustopp selber machen" würden im Camp Workshops und Diskussionsrunden angeboten, andere Protestbewegungen stellten sich vor und am Abend fänden Kulturevents statt. Unter anderem soll der Sänger Konstantin Wecker auftreten.

Sitzblockaden sind nicht illegal

Wichtigster Programmpunkt sei jedoch das Sitzblockadetraining. Mehrmals täglich werden die Camp-Teilnehmer mit dieser Protestform vorbereitet. Sitzblockaden seien nicht illegal, sondern eine Versammlung, sagte der Sprecher der Parkschützer, Matthias von Herrmann. "Wir fordern niemanden auf, eine Straftat zu begehen." Alle Aktionen der Parkschützer basierten auf der Gewaltfreiheit. Rund 7000 Euro kostet das Camp, das nach Angaben der Veranstalter durch Spenden finanziert wird.

Wo genau die Sitzblockaden stattfinden werden, wollten die Camp-Organisatoren nicht verraten. Auch nach dem Regierungswechsel und der Machtübernahme von Grün-Rot im Land sei die Motivation der Stuttgart-21-Gegner groß, so Julia von Staden. "Viele sind von den Politikern enttäuscht und wollen ihnen die Verantwortung nicht überlassen." Im politischen Raum selbst werden die neuesten Aktivitäten der sogenannten Parkschützer kritisch gesehen. Der SPD-Stadtrat Andreas Reisig hat den Eindruck, dass die Aktionen in der Bevölkerung immer mehr auf Unverständnis stoßen. Er spricht von einer Selbstinszenierung auf Kosten der anderen. "Die Parkschützer erweisen der Protestbewegung einen Bärendienst."

"Die Bahn hält sich an ihre Zusagen"

Die Bahn hält sich an den Baustopp

Jochen Stopper von der Grünen-Fraktion im Gemeinderat geht davon aus, dass es zur Zeit keinen Grund zum Blockieren gibt. Die Bahn habe einem Baustopp zugestimmt: "Wir erwarten, dass sich die Bahn daran hält." Wolfgang Dietrich, der Sprecher des Projektes Stuttgart-Ulm, betonte auf Anfrage der Stuttgarter Zeitung erneut, dass die Bahn sich an ihre Zusage eines Baustopps halte. Die Polizei sieht dem Camp und den Aktionen am Montag und Dienstag gelassen entgegen. Die Veranstaltungen seien angemeldet, so der Sprecher Stefan Keilbach: Die Polizei gehe davon aus, dass sich die Demonstranten friedlich verhielten. Dennoch werde ein Einsatz vorbereitet. Wie dieser verlaufe, hänge vom Ort und der Dauer der Blockade ab.

Unterdessen hat der Berliner Politikwissenschaftler Peter Grottian, der heute bei einer weiteren Demonstration gegen Stuttgart21 auftreten soll, seine geplante Rede vorab verbreitet. Dabei entwirft Grottian ein "plausibles Szenario", wie das Projekt noch verhindert werden könne - und zwar allein durch den Druck der Straße. "Nicht Wahlen entscheiden", formuliert er, "sondern wenn der Souverän den Aufstand probt".

Das Szenario breche radikal mit der Vorstellung, mit einer grün-roten Landesregierung den Kampf gegen Stuttgart21 schon halb gewonnen zu haben. Die Menschen sollten, so seine Forderung, den geplanten Durchgangsbahnhof "selbstermächtigend, bürgermächtig und mobilisierungsträchtig" verhindern. Zu lernen sei: eine "stärkere Toleranz der unterschiedlichen Radikalitäten, die zivilen Ungehorsam als notwendiges Salz in der reichlich öden Suppe der Demokratie schätzt". Und an anderer Stelle heißt es an die Demonstranten gerichtet: "Es ist euer Verdienst, dass die oft geballte Faust nicht mehr schlaff in der Hosentasche versinkt".

Zuletzt schon war die Kritik an bestimmten Formen des Protestes über alle Parteigrenzen hinweg lauter geworden - auch im Blick auf das Zeltlager im Schlossgarten. Die "Juristen für Stuttgart 21" forderten am Freitag den Finanzminister auf, dafür Sorge zu tragen, dass die illegale Besetzung "endlich beendet" wird. Er müsse von seinem Hausrecht Gebrauch machen.