Der Mieterverein Stuttgart protestiert am Freitagnachmittag auf dem Schlossplatz gegen explodierende Mieten in Stuttgart und der Region. Gleichzeitig fand auf dem Platz vor der Kirche Sankt Maria die Aktion „Zeig Wohnungsnot die gelbe Karte“ satt. Beide Veranstaltungen machen auf Missstände in Stuttgart aufmerksam.

Digital Desk: Ann-Kathrin Schröppel (aks)

Stuttgart - „Achtung, Achtung! Hier informiert der Mieterverein Stuttgart über die explodierenden Mieten in Stuttgart und der Region“, schallt es am Freitagnachmittag über den Schlossplatz/Ecke Bolzstraße. Rolf Gaßmann, der Vorsitzende des DMB-Mietervereins Stuttgart und Umgebung, steht auf einem kleinen Hocker vor dem Stand seines Vereins und ruft diese Worte in ein weißes Megafon.

 

Protest gegen „Mietwahnsinn“

Der Mieterverein Stuttgart protestiert mit dieser Aktion, nach eigener Aussage, gegen den „Mietwahnsinn“. „Wir setzen uns dafür ein, die Mietpreisexplosion in Stuttgart und der Region zu stoppen. Im Stadtgebiet Stuttgart liegt der Preis pro Quadratmeter durchschnittlich bei 14 Euro, dieser Betrag liegt ein Drittel über der zulässigen Mietpreisgrenze“, weiß Gaßmann.

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Informieren und Beraten

Besucher des Aktionsstandes können eine kostenlose Rechtsexperten-Beratung zu allgemeinen Fragen bei Mieterhöhungen in Anspruch nehmen, sowie Fragen zur Anwendung der Mietpreisbremse bei bestehenden Mietverträgen stellen. Es besteht zudem die Möglichkeit, einen Fragebogen zur persönlichen Wohnsituation in Verbindung mit der vertraglichen festgesetzten Miete auszufüllen, der dann vom Mieterverein Stuttgart geprüft wird. So soll festgestellt werden, ob der Betroffene zu viel Miete zahlt und ob die Miete herabgesetzt werden könnte. „Mit unserer Aktion wollen wir die Menschen ermutigen, ihre Mieten prüfen zu lassen“, so Gaßmann.

Mietpreischeck: Den Online-Fragenbogen finden Sie hier

Forderungen an den Bund

Die Mitglieder fordern vom Bundestag, den Verstoß gegen die Mietpreisbremse mit einem Bußgeld zu ahnden, die Kappungsrenze bei Mieterhöhungen auf höchstens drei Prozent pro Jahr zu beschränken sowie die Mieterhöhung nach Modernisierung auf 1,50 Euro pro Quadratmeter innerhalb von acht Jahren festzusetzen. So soll der gesetzliche Mieterschutz ausgeweitet und gestärkt werden.

Mieterverein sieht Landesregierung in der Pflicht

Neben dem Bund, sieht der Stuttgarter Mieterverein die baden-württembergische Landesregierung in der Pflicht. Die Forderungen an Ministerpräsident Kretschmann lauten etwa, die verringerte Kappungsgrenze bei Mieterhöhung für alle Städte, in denen aktuell Wohnungsmangel herrscht, geltend zu machen. Bislang gilt diese Kappungsgrenze nicht für alle Städte in der Region Stuttgart. Städte wie Böblingen, Sindelfingen, Esslingen, Ludwigsburg, Leonberg, Schorndorf, Waiblingen und die Fildergemeinden sind beispielsweise von der Regelung ausgenommen.

Zusätzlich sollen Mieter, auch außerhalb der Stuttgarter Stadtgrenzen die Herabsetzung überhöhter Mieten fordern können. Dies ist bislang in Böblingen, Esslingen, Ostfildern, Leinfelden-Echterdingen, Ludwigsburg, Leonberg, Schorndorf und Waiblingen nicht möglich.

Solidarität mit Mieterkundgebung in Berlin

Die Veranstaltung findet zeitgleich mit der Mieterkundgebung vor dem Kanzleramt in Berlin statt, die wiederum den Wohngipfel von Union und SPD begleitet.

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Rund hundert Vertreter von Bund und Ländern, Baubranche, Kommunal- und Berufsverbänden sowie Mieterverbänden kommen hier zusammen – Ziel ist es, Lösungen für die Probleme auf dem bundesweiten Wohnungsmarkt zu finden.

Aktion „Zeig Wohnungsnot die gelbe Karte“

Sofas auf dem Platz vor der Kirche Sankt Maria? Ach so! Mit einem Wohnzimmer auf der Straße hat die Caritas Stuttgart am Freitag mit einer weiteren Aktion auf die Wohnungsnot in der Stadt aufmerksam gemacht. Die Aktion „Zeig Wohnungsnot die gelbe Karte“ beinhaltet vor allem drei Forderungen: Vermieter unterstützen, Wohnungssuchenden helfen und Wohnraum schaffen.

„Betroffene aus den Bereichen der Wohnungsnotfallhilfe, der Behinderten-, Familien-, Flüchtlings-, und Altenhilfe haben die gelben Mängelanzeigekarten der Stadt ausgefüllt, um auf ihre Probleme hinzuweisen“, sagte Nadja Wenger, die als Leiterin von YoungCaritas für die Aktion verantwortlich war. „Wir möchten zeigen, dass die städtische Notfallkartei mehr ist als nur bloße Zahlen“, sagte Nadja Wenger. Hinter jeder der 250 ausgefüllten Karten stecke eine Person mit einem Einzelschicksal. Um bei der Stadt Bewusstsein dafür zu schaffen, übergab Nadja Wenger die Karten an Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne).

Katastrophale Entscheidungen im sozialen Wohnungsbaus

„In den letzten 25 Jahren sind katastrophale politische Entscheidungen im Bereich des sozialen Wohnungsbaus getroffen worden“, stellte Wölfle im Gespräch mit Armin Biermann, dem Leiter der Jugend- und Familienhilfe bei der Caritas, klar. Inzwischen werde der soziale Wohnungsbau zwar wieder mehr gefördert, aber man könne nicht von heute auf morgen neue Wohnungen schaffen. „Wir gehen mit kleinen Schritten vorwärts, aber es bewegt sich etwas“, sagte Wölfle mit Zuversicht.