Auch ein Ende der bisherigen Pegida-Bewegung beseitigt die Ursachen des Frustes nicht. Jene zehntausend Unzufriedenen sind da. Und eine neue Bewegung ist schon geplant.

Dresden - Am Anfang war es nur eine etwas groß geratene Facebook-Party. Zu der hatten sich Pegida-Gründer Lutz Bachmann und ein paar Dutzend Gleichgesinnte aus der Dresdener Sport- und Partyszene via Internet im Spätherbst 2014 an der Frauenkirche verabredet. Der Name ihrer Bewegung, den sie kurioserweise einem alten CDU-Wahlplakat entlehnten, diente dabei gleichermaßen als Lockvogel für potenzielle Mitläufer wie als bewusst gesetzte Provokation gegen die politische Korrektheit: Man wollte auffallen, versprach sich mehr Resonanz. Und die war dann so gewaltig, nicht nur in Dresden sondern bundesweit, dass es den vorbestraften Krachmacher verblüffte. Weitere Social-Media-Einträge jener Zeit zeugen davon.     

 

   Schnell jedoch herausgefordert durch die aufkommende Gegenbewegung, ritten Bachmann & Co. ihre ausländerfeindlichen Tiraden dann auch noch weiter, als sie längst ahnen mussten, damit in eine Sackgasse zu stolpern. Denn in einer weltoffenen Kultur- und Universitätsstadt wie Dresden, die man ein Vierteljahrhundert nach dem DDR-Ende nicht mehr dem Tal der Ahnungslosen zurechnen kann, bekommt man maßgebliche Teile des Volkes nicht mit groben Antiislamparolen auf die Straße.    Eindringliche Beobachter der Szene, allen voran der Dresdener Politikprofessor Werner Patzelt, erkannten das schon frühzeitig. Wenn schon, so analysierte er bereits im Dezember, sei Pegida eine „anti-religiöse“ und „noch mehr eine amerika- und kapitalismuskritische“ Bewegung. Erste Demonstrationen in Erfurt, wo am Wochenende Tausende Thüringer „gegen eine Amerikanisierung des Abendlandes“ (Pegada) marschierten, bestätigen dies inzwischen. Patzelt erkennt gar bei vielen über 40-jährigen im Osten eine „innere Fremdheit zum heutigen BRD-System“.

Ansammlung von Mühseligen und Beladenen?

Auch Dresdens letzter SED-Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer, der seit vielen Jahren als Unternehmensberater tätig ist, erlebt in der Stadt zwar ein „selbstbewusstes, wertkonservatives und kleinbürgerliches Milieu“, das „ängstlich auf die sich schnell verändernde, komplexe und unsichere Welt“ reagiere – aber keine Ausländerhasser. Die Feindbilder der sich „missverstanden, vernachlässigt oder verunglimpft fühlenden“ Menschen seien andere: Politiker und Medien. Beiden gehe es längst nicht mehr um die Themen, die die Menschen wirklich bewegen, sagt auch der Dresdenr SPD-Stadtchef Peter Lames. Für ihn ist Pegida eine „Versammlung von Menschen, die sich in den alltäglichen Erfolgsbotschaften nicht wiederfinden“.

Vor diesem Hintergrund scheint der Klärungs- und Scheidungsprozess, den die bisherige Pegida-Spitze momentan durchmacht, nicht unerklärlich und schon gar nicht für Resignation zu sprechen. Denn jene Zehntausende Unzufriedenen, die sie quasi über Nacht wie aus dem Nichts auf die Straße lockten, sind ja weiter da. Sachsens Innenminister Markus Ulbig nannte sie am Dienstag nach seinem Treffen mit Kathrin Oertel „Mühselige und Beladene“. Der CDU-Politiker, der in wenigen Monaten Oberbürgermeister von Dresden werden will, steht mutmaßlich auch hinter dem Erosionsprozess, den jene Organisationsgruppe derzeit erlebt. Denn auch andere Pegida-Köpfe, die er zuvor empfangen hatte, erklärten wenig später ihren Rücktritt – und kündigen nun die Bildung einer neuen Gruppierung an, die nicht mehr gegen Moslems, wohl aber für mehr direkte Demokratie kämpfen will. Nach allem, was man bisher weiß, ist deren Programm das alte, nur bereinigt um die kriegerischen Passagen zu Zuwanderung und Islam.  

Biedenkopf hat rechtsextremes Gedankengut ignoriert 

     Damit setzt nun zugleich ein neuer Kampf um die Köpfe der fraglos konservativ-heimattümelnden Mittelschicht ein. Während die AfD wohl schon länger am Rad dreht, um die zunächst spontanen Proteste strukturell zu ordnen und damit auch politisch wetterfester zu machen, buhlt von der anderen Seite her die CDU um all jene, die mehrheitlich mal ihre Wähler waren – als Kurt Biedenkopf noch die sächsische Krone trug. Nichts steht stärker für diese Bemühungen als die Äußerung von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), dass „der Islam nicht zu Sachsen gehört“. Selbst   die Brüskierung der Kanzlerin nahm er dafür in Kauf.       Dabei waren es doch gerade Biedenkopfs Regierungsjahre, in denen in Ostsachsen extrem rechtes Gedankengut salonfähig wurde – auch, weil er dies schlicht ignorierte.